Ein spanischer Jesuitenpater, Gründer des Loyola-Instituts in Barcelona, entdeckt beim Bibelstudium die befreiende Wahrheit des Wortes Gottes.

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INHALT

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Einleitung: Ich verliess den Katholizismus

l. Kapitel: Die Unfehlbarkeit des Papstes

2. Kapitel: Die Notwendigkeit einer sichtbaren Kirche

3. Kapitel: Die Einheit der Kirche

4. Kapitel: Die Tradition

5. Kapitel: Maria, unsere Mutter

6. Kapitel: Menschengesetze

Der Gottesdienst in lateinischer Sprache

Vom eucharistischen Fasten

Die Beichte

Das Zölibat

Schlusswort

Anhang: Abschiedsrede von Luis Padrosa

In eigener Sache

Nachwort des Verlags

Kommentare von NZZ und Angebot

Vorwort zur deutschen Ausgabe

In Apostelgeschichte 6,7 lesen wir: «Und das Wort des Herrn verbreitete sich mehr und mehr, und die Zahl der Jünger zu Jerusalem ward sehr vermehrt. Auch eine grosse Menge von (jüdischen) Priestern ward dem Glauben gehorsam.»[1]

Verfolgungszeiten waren für den christlichen Glauben noch immer fruchtbar. Dies bewahrheitet sich neuerdings in Spanien, wo die evangelischen Christen stark bedrängt werden. Als die spanische Regierung in der Verfassung von 1945 den Nicht-Katholiken eine sehr eingeschränkte Duldung zusprach («niemand darf wegen seiner religiösen Überzeugung und in der privaten Ausübung seines Gottesdienstes belästigt werden», Art. 6) und einige protestantische Kultlokale neu eröffnet wurden, währenddem andere bis auf den heutigen Tag geschlossen blieben, da war auch diese begrenzte Toleranz einem Teil des Klerus zu viel.

In Hirtenbriefen und heftigen Artikeln verlangten sie eine noch wirksamere Einschnürung des Protestantismus, der zumeist als Landesverrat verschrien wurde. Gegen evangelische Kapellen erfolgten Gewalttätigkeiten. Welches Resultat wurde dabei erzielt? Kein anderes, als dass die Evangelischen stark zunahmen ! Besonders in den grossen Städten, wo man den Einfluss der Priester weniger fürchtete, machten sich Gleichgültige und Atheisten auf, um die evangelischen Gottesdienste zu besuchen. Manche wandten sich dem evangelischen Glauben zu, darunter auch markante Persönlichkeiten innerhalb des spanischen Katholizismus. Grosses Aufsehen erregte der Austritt des Jesuitenpaters A. F. Carrillo de Albornoz, Generalsekretär der spanischen Marienkongregationen, später am Vatikan als Direktor der Marienkongregationen in der ganzen Welt tätig. Im Sommer 1950 verschwand er aus Rom und tauchte in Genf auf, wo er seine Zugehörigkeit zur Gesellschaft Jesu und zur römischen Kirche abschwor. Wie bewahrheitete sich gerade an ihm die Losung, die auf dem Reformationsdenkmal dieser Stadt steht: Post tenebras lux! (Nach der Finsternis das Licht! )

Doch blieb es nicht bei diesem einen Fall. Auch andere spanische Priester verliessen die römische Kirche. Verwunderung rief vor allem der Übertritt des Jesuitenpaters Luis Padrosa hervor, der ebenfalls weit über die Grenzen Spaniens hinaus bekannt war, hatte er doch in Barcelona das Loyola-Institut für psychologische Orientierung begründet. Er war sogar Vize-Präsident des Internationalen Verbandes katholischer Psychologen und Psychiater. Nur wer Spanien wirklich kennt, kann ermessen, welch ein Opfer es bedeutete, in so hervorragenden Stellungen den Schritt aus der römischen Kirche zu wagen.

Der einfache Katholik kommt kaum in Berührung mit aufklärenden Büchern, denn er muss befürchten, in Todsünde zu fallen, wenn er ein Buch liest über Glaubensdinge, das nicht mit der bischöflichen Druckerlaubnis erschienen ist. Doch die Priester müssen die Argumente jener kennen, die sie zu bekämpfen haben, und so kommen sie mehr in Berührung mit evangelischer Literatur. Vor allem aber genügt das aufrichtige Forschen in der Heiligen Schrift, um zu erkennen, wie einfach und klar die evangelische Lehre ist. So bekannte Luis Padrosa bei seiner ersten Begegnung mit einem evangelischen Pfarrer: «Ich habe entdeckt, dass es im Evangelium keine Grundlage für die Dogmen der römisch-katholischen Kirche gibt.» Der evangelische Pfarrer hatte sich gewissenhaft auf eine heftige Auseinandersetzung vorbereitet, als ihm der aussergewöhnliche Besuch gemeldet wurde, wusste er doch um die grossen Fähigkeiten Padrosas. Und siehe, zu seinem Erstaunen kam Pater Padrosa, noch im Priestergewand, weder zu bekehren noch sich bekehren zu lassen. Gott hatte ihn durch seinen Heiligen Geist überzeugt, dass sich in seinem Wort die Wahrheit befindet. Padrosa kam, um von seiner Entdeckung und Freude zu zeugen.

Sein Gewissen erlaubte es ihm nicht, weiterhin in der römischen Kirche zu bleiben. Um der Wahrheit willen musste er den schweren Schritt vollziehen und aus ihr austreten (siehe Abschiedsbrief im Anhang: «In eigener Sache»). Damit war seines Bleibens in Spanien nicht länger; er musste nach Argentinien auswandern, wo er heute als Professor an einer evangelischen Fakultät wirkt und in den ihn einladenden Kirchen das Evangelium verkündet. Dennoch ist sein Herz in Spanien geblieben, und seine Gedanken weilen immer wieder bei den Menschen, die ihm dort lieb geworden sind. Für seine früheren Ordensbrüder, seine zahlreichen Freunde und Schüler des Loyola Institutes, seine Familienangehörigen, sowie für seine spanischen evangelischen Glaubensgenossen, die er in der Eile der Abreise kaum kennenlernen konnte, betet er ständig um Gottes Kraft und Erleuchtung. Um ihnen und andern zu helfen, hat er dieses kleine Büchlein geschrieben. Gegenüber evangelischen Freunden in Amerika gab er folgende Erklärung ab:  «Ich hätte nie daran gedacht, den Protestantismus im Lichte der Bibel zu studieren, und noch viel weniger daran, selber Protestant zu werden, wenn ich nicht aufgefordert worden wäre, das evangelische Christentum zu bekämpfen. Doch als Kardinal Segura aus Sevilla, Mgr. Z. Vizcarra, ferner der Erzbischof von Zaragoza und andere mit ihren Hirtenschreiben gegen den Protestantismus Sturm liefen und alle katholischen und auch politischen Kräfte Spaniens gegen die Ketzerei aufstachelten, da glaubte ich in Tarrasa, wo der Protestantismus Fortschritte machte, dem Ruf der Kirche folgen zu müssen. Es ging darum, etwas Besonderes und Bemerkenswertes zu tun, damit die Reihen des Feindes gelichtet werden könnten. Wir mussten die Protestanten von ihrem Irrtum überführen. Hiezu war es vor allem nötig, den Protestantismus zu studieren und die Katholiken zu lehren, ihn mit der Lieblingswaffe der Protestanten, mit der Heiligen Schrift selbst zu bekämpfen. Und nun hat die Heilige Schrift mich besiegt.» Erfreulich ist, vernehmen zu dürfen, dass diese Schrift heute in Spanien stark gelesen wird, obwohl der Bischof von Barcelona sie bei ihrem Erscheinen gleich verboten hat mit der Drohung, dass jeder, der sie lese, weitergebe oder abschreibe, exkommuniziert werde. Aber die evangelischen Christen, die sie besassen, wurden darum bestürmt. Einige Beispiele mögen hievon Zeugnis geben:

Als die Exkommunikation angekündigt wurde, rief ein römisch-katholischer Mann aus: «Hurra, der Bischof von Barcelona hat sie verordnet; ich darf die Schrift dennoch lesen, da ich zur Diözese von Vieh gehöre!»

Ein anderer sagte: «Die Exkommunikation trifft diejenigen, die diese Schrift lesen und behalten, geht aber jene nichts an, die sich aus ihr vorlesen lassen.»

– In Barcelona begegnete eines Tages eine Schwester vom Hospital des Heiligen Herzens in der Strassenbahn zwei jungen Mädchen. Sie achtete auf ihr Gespräch und fragte dann das eine von ihnen: «Sind Sie katholisch oder protestantisch?» – «Ich bin evangelische Christin», war die Antwort. – «Das ist ja wunderbar, dann haben wir ja die gleiche Religion wie Pater Padrosa. Ich will Ihnen ein Geheimnis sagen: Fast alle Schwestern unseres Hospitals haben sein verbotenes Büchlein gelesen. Seither habe ich keinen andern Wunsch, als jemand zu treffen, der mich in dieser Lehre unterrichten kann.» Sie verabredeten sich für die kommende Woche, und die Nonne, die sich dem Evangelium zuwandte, schrieb hierauf dem Papst, er möge sie von ihrem Gelübde entbinden. Der Brief wurde zwar abgefangen und dem Bischof von Barcelona übergeben, der die Nonne zu sich bat. Nachdem er feststellen musste, dass sie sich wirklich bekehrt hatte, befahl er ihr, das Land unverzüglich zu verlassen. Doch ihre Freude war gross, hatte sie ja den Heiland gefunden und in ihm ein volles und ganzes Heil. Auch durfte sie erleben, wie Gott ihr, der Mittellosen, zu Hilfe kam. In der Eisenbahn geriet sie ins Gespräch mit einem evangelischen Christen, der dann wunderbar für sie sorgte. Nicht nur das: bevor sie das Land endgültig verliess, traf sie noch einen jungen Priester, der durch ihr Zeugnis die Wahrheit des Evangeliums fand und in die Fusstapfen Padrosas trat.

Wir freuen uns, dass diese Schrift schon vielen Menschen zum Segen gereichen durfte und ihnen den Weg zu Gott zeigte. Wir wollen uns aber auch aufrufen lassen zur treuen Fürbitte für unsere Brüder und Schwestern in Spanien, und Gott preisen, dass dort ebenfalls sein Evangelium einen hellen Schein in die Finsternis wirft.

Der Übersetzer.

Einleitung

ICH VERLIESS DEN KATHOLIZISMUS

Viele werden sich fragen, aus welchem Grunde ich dies getan habe. Die einen fragen aus Zuneigung, die andern aus Verachtung und etliche im Zweifel. – Wenige aber werden diese Frage aus Liebe stellen ...

–          Warum sind die Menschen so?

Der hl. Ignatius, der Gründer des Jesuitenordens, schreibt am Anfang seiner berühmten «Geistlichen Übungen», dass er folgende Voraussetzung als wichtig betrachte: «Jeder gute Christ soll mit Achtung die Meinung seines Nächsten anhören und sie nicht sogleich verdammen; kann er sie nicht annehmen, so suche er sie zu verstehen; findet er sie falsch, so suche er sie mit Liebe zu korrigieren. Sollte dies nicht genügen, so suche er mit allen sich geziemenden Mitteln die Meinung seines Nächsten richtigzustellen, damit er gerettet werde.»

Ich mochte, dass alle, die über meinen Entschluss urteilen, es in diesem Geiste tun würden. Auch mögen sie die Worte des Herrn Jesus nicht vergessen: «Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.»

Durch meine Vorträge vor grossen Hörerkreisen gewann ich tausende von Freunden und Bekannten. Öffentlich habe ich eine Lehre bezeugt, und viele, die ihr zuvor fern waren, wurden überzeugt. War ich ein Heuchler, der predigte, was er nicht glaubte? Habe ich viele Seelen vom rechten Weg der Wahrheit weggeführt? Ich überlasse es Gott zu richten. Indessen bin ich meiner Familie, meinen Freunden und Bekannten eine kurze Rechtfertigung schuldig, auf dass ich nicht dem fliehenden Übeltäter gleiche, der sich seiner Tat schämt. Im Gegenteil, ich kann allen erhobenen Hauptes begegnen, und ich würde mich öffentlich verteidigen, wenn die Gesetze und Verhältnisse meines Vaterlandes dies erlaubten. Da mir dies nicht möglich ist, benütze ich dazu dies kleine Buch. Ich wünsche, dass diejenigen, die mich kennen, es ohne Vorurteile lesen und alle Argumente erwägen, die ich vorbringe.

Es geht hier nicht um ein literarisches Werk; man möge deshalb den Stil nicht in Betracht ziehen; es handelt sich hier um einen Brief, den ich all denen sende, die ich liebe, mit dem Wunsche, in ihnen das gleiche Licht leuchten zu sehen, das in meiner Seele scheint. Es handelt sich hier weder um eine theologische Abhandlung, noch um ein Handbuch der Apologetik. Die Protestanten werden sogar einen Nachgeschmack aus dem Katholizismus finden, was sie nicht verwundern darf. Ich lege hier die Hauptgründe dar, die mich zu diesem Schritt veranlasst haben. Ich habe die Absicht, in einem späteren und ausgedehnteren Werk den Inhalt dieser Kapitel weiter auszubauen. Hier handelt es sich um eine Aufzählung der Gründe.

Auf die Frage, warum ich den Katholizismus verlassen habe, werden die meisten Leute in der altgewohnten Weise antworten. Die einen behaupten, ich sei verrückt geworden, die andern vermuten, ich habe mich an eine Frau gehängt. Der überzeugte Katholik ist nicht fähig, eine andere Erklärung zu finden, wenn jemand den katholischen Glauben von sich weist: entweder ist man verrückt oder verliebt. Alle nun, die so richten, irren sich, wie überhaupt die meisten irren, die zu rasch urteilen.

Zahlreiche Gründe haben mich zu diesem Schritt veranlasst. 43 Jahre habe ich als ehrlicher Katholik zugebracht, 15 Jahre davon in gewissenhaftem Studium, 10 Jahre als Redner vor grossen Volksmengen wie auch vor einem «spezialisierten» Publikum, und 23 Jahre im Jesuitenorden. Nach dieser Zeit bin ich zur Überzeugung gekommen, dass die römisch-katholische Kirche nicht die wahre Kirche Jesu Christi ist. Sie ist es nicht, weil sie mit Irrlehren durchsetzt ist. Denn eine Kirche, die sich nicht einzig und allein auf die Wahrheit der Heiligen Schrift gründet, kann nicht Gemeinde Jesu Christi sein. Die katholische Kirche aber ist von der christlichen Wahrheit entfernt und was noch schlimmer ist, sie hat keine Möglichkeit umzukehren und zum rechten Glauben an Jesus Christus zu gelangen. Gelangt ein aufrichtiger, heilsuchender Mensch zu dieser Überzeugung, so muss er seinem Leben eine neue Richtung geben. Dies habe ich getan, und seither durchströmt ein vorher mir unbe­kannter Friede mein Herz.

Dreizehn Jahre lang studierte ich Apologetik und gelangte zu einer felsenfesten Überzeugung. Die Argumente beider Parteien sind mir bekannt, denn ich habe sie erforscht: die einen sind in meinen Händen zu Sand geworden, die andern haben sich in Granit verwandelt, fähig das grossartige Glaubensgebäude zu tragen.

Jene nun, die durch meine Verkündigung ein besseres Leben gefunden haben, mögen nicht umkehren. Was sie gelehrt worden sind, ist Wahrheit. Sie alle mögen sich daran erinnern, dass ich weder die Göttlichkeit der katholischen Kirche, noch die Unfehlbarkeit des Papstes verkündigt habe. Mögen alle das annehmen, was sie gehört haben und einen Schritt vorwärts machen. Mögen sie suchen, denn der Herr Jesus ist nahe.

Für einen Katholik ist es schwer, die Wahrheit zu finden, denn die Kirchenzensur setzt viele Grenzen. Wer weder zu lesen noch zu vergleichen das Recht besitzt, hat Mühe, den wahren Weg zu finden. Wer gezwungen wird, das Wort Gottes, d. h. die Bibel, nach einer von Menschen aufgezwungenen Auslegung zu lesen, wird die Herrenworte schwer verstehen:

«Bittet, so wird euch gegeben werden; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan werden.» (Matth. 7,7)

Niemand möge denken, ich hätte den Jesuitenorden infolge persönlicher Beschwerden gegen meine Vorgesetzten verlassen. Es ist unglücklicherweise wahr, dass die Herren Ordensobersten nicht immer mit Barmherzigkeit erfüllt sind und nicht allezeit nur väterliche Gefühle hegen und empfinden. Indessen möchte ich an dieser Stelle meinem Dank und meiner Hochachtung dem Provinzialen und dem Residenzsuperior gegenüber Ausdruck verleihen. Ich kannte sie als Männer, die von einem wahrhaft christlichen Geist erfüllt sind. Es fällt mir schwer, das Loyola-Institut zu verlassen, das ich mit grossen Hoffnungen gegründet und während fünf Jahren unter vielen Opfern geleitet habe. Da aber die Leitung dieses Hauses katholisch sein muss, ist meines Bleibens nicht länger, solange die Statuten nicht geändert werden. Danken möchte ich allen meinen Freunden und Wohltätern des Institutes, die uns geholfen haben, und ihnen gleichzeitig sagen, dass wir die Arbeit nach ihrem Wunsche ausgeführt haben.

Ich bitte meinen Vater und alle meine andern Verwandten, die durch den Gedanken betrübt sind, ich sei ein Abtrünniger geworden, diese Schrift aufmerksam zu lesen und Gott um sein Licht zu bitten. Auf diese Weise werden sie sich überzeugen, dass man kein Abtrünniger ist, wenn man zum reinen Evangelium zurückgreift, das frei ist von den Zutaten und Veränderungen, welche die Menschen im Laufe der Jahrhunderte beigefügt haben.

1. Kapitel

DIE UNFEHLBARKEIT DES PAPSTES

Die katholische Kirche begründet das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit mit der Tatsache, dass Jesus Christus die Schlüsselgewalt des Himmelreichs Petrus übergeben hat. Jesus sagt wörtlich: «Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Und dir will ich die Schlüssel des Himmelreichs geben. Was immer du auf Erden binden wirst, das soll auch im Himmel gebunden sein; und was immer du lösen wirst auf Erden, das soll auch im Himmel gelöset sein» (Matth. 16,18-19). Was aber sagt die römisch-katholische Kirche? Ich werde dir die Schlüssel geben, dir und deinen Nachfolgern ...  Auf diesem Stein, der du bist, du und deine Nachfolger ... Alles was du und deine Nachfolger binden werden, wird gebunden sein, und was du und deine Nachfolger lösen werden, wird gelöst sein.

Die katholische Kirche weiss genau, dass Jesus nicht gesagt hat: «Du und deine Nachfolger.» Dennoch beharrt sie auf dieser Aussage als einem Glaubensartikel. Es ist klar: wenn die Nachfolger Petri, d. h. die Bischöfe von Rom, die Schlüsselgewalt des Himmelreichs  besitzen,  gelangt  man  nur  hinein, wenn man tut, was die römisch-katholische Kirche befiehlt. Deshalb behauptet sie fest: ausserhalb der Kirche ist kein Heil zu finden!

Wir wollen die evangelische Tatsache objektiv betrachten. Wenn Petrus und seine Nachfolger jemandem die Tür verschliessen und Jesus sie doch auftut, und wenn Petrus und seine Nachfolger sie anderseits auftun, Jesus sie aber verschliesst, so war es nutzlos, Petrus und seinen Nachfolgern die Schlüsselgewalt zu übergeben. Es wäre dann nur ein blosses Wortspiel. Haben aber andererseits Petrus und seine Nachfolger die Schlüsselgewalt empfangen, so müssen die von ihnen geöffneten Türen offen und die verschlossenen verschlossen bleiben.

Ist dies tatsächlich so? Die katholische Kirche behauptet es.

Wir jedoch bekunden: Wenn dem wirklich so ist, ergibt sich diese logische Folgerung: Jesus hat für immer und in jedem Fall verzichtet, die Menschen zu richten, da Petrus und seine Nachfolger die absoluten Richter und Herren des Himmels und der Erde sind, was das Heil der Menschen anbelangt. Es werden nur die eingehen, die von Petrus und seinen Nachfolgern als würdig befunden werden; denen sie aber die Türe verschliessen, die müssen draussen bleiben.

Ist dies Wirklichkeit, dann müssen wir fragen: Wie hat Jesus sagen können: «Und es werden alle Völker vor ihm versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Die Schafe wird er zu seiner Rechten, die Böcke aber zu seiner Linken stellen. Alsdann wird der König zu denen, die zu seiner Rechten sein werden, sagen: Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters! besitzet das Reich, welches seit Grundlegung der Welt euch bereitet ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mich gespeist ...  Dann wird er auch zu denen auf der Linken sprechen: Weichet von mir, ihr Verfluchten! in das ewige Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln bereitet worden ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mich nicht gespeist ... » (Matthäus 25,32-46).

Im vorhergehenden Kapitel sagt der Herr: «Selig ist derselbe Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, also handelnd findet. Wahrlich ich sage euch, er wird ihn über alle seine Güter setzen.» Vom bösen Knecht aber sagt er: «Und er wird ihn absondern, und ihm seinen Teil mit den Heuchlern geben; da wird Heulen und Zähneknirschen sein» (Matthäus 24,46-51). Lukas schreibt: «Bemühet euch einzugehen durch die enge Pforte; denn ich sage euch: Viele werden suchen einzugehen, und es nicht vermögen. Wenn der Hausvater hineingegangen ist, und die Türe verschlossen hat, dann werdet ihr draussen stehen, und euch anschicken an die Türe zu klopfen, und zu sagen: Herr, tu uns auf! Und er wird antworten und zu euch sprechen: Ich kenne euch nicht, woher ihr seid» (Lukas 13,22-25).

Endlich finden wir auch eine Erklärung im Gleichnis vom Unkraut im Acker. Der Herr sagt seinen Dienern, der Feind habe es gesät. Als sie ihn fragen, ob sie es ausreissen sollen, gibt er ihnen zur Antwort:

«Nein, damit ihr nicht etwa, wenn ihr das Unkraut aufsammelt, mit demselben zugleich auch den Weizen ausreisset. Lasset beides zusammen wachsen bis zur Ernte, und zur Zeit der Ernte will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut, und bindet es in Bündlein zum Verbrennen; den Weizen aber sammelt in meine Scheuer.»

Jesus erklärt dies Gleichnis den Jüngern, die nach seinem Sinn gefragt haben und sagt: «Der den guten Samen aussät, ist der Sohn des Menschen. Der Acker ist die Welt; der gute Same aber, das sind die Kinder des Reiches; und das Unkraut, das sind die Kinder des Bösen ... Der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reiche alle Ärgernisse sammeln, und jene, die da unrecht tun; und werden sie in den Feuerofen werfen. Da wird sein Heulen und Zähneknirschen» (Matthäus 13,24-30.37.38.41.42).

Wir müssen feststellen, dass Jesus nirgends bekundet, er werde nur die bei sich aufnehmen, die von den Aposteln Vergebung empfangen haben. Er erscheint stets selbst als der Richter oder sendet seine Engel aus. Dieser Richter, der das Urteil fällt und die Guten von den Schlechten scheiden wird, ist Jesus Christus allein. Bekennen wir nicht im Credo:[2] «Von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten?» Wir überlegen uns deshalb: wird er am Gerichtstag Petrus und seinen Nachfolgern die Schlüsselgewalt wegnehmen und ihre Urteile überprüfen? Wenn ja, fragen wir aufs Neue: Nützt es etwas, wenn Petrus und seine Nachfolger öffnen, und Jesus nachher doch zuschliesst, und umgekehrt? Dann ist die Schlüsselgewalt nutzlos. Oder muss Jesus am Gerichtstag nur die Entschlüsse des Petrus und seiner Nachfolger feierlich ratifizieren? Ist dies der Fall, so sagt Jesus die Wahrheit nicht, wenn er bekundet, er werde kommen um zu richten, oder in der Johannesoffenbarung spricht: «Das sagt der Heilige und Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat, der öffnet, und niemand schliesst, der schliesst, und niemand öffnet» (Offb. 3,7).

Hier befindet sich der Katholik vor einem Widerspruch, den er nicht zu durchdringen vermag. Auch wagt deshalb kein katholischer Apologet eine Verbindung zwischen der Schlüsselgewalt und dem Endgericht herzustellen; denn die Ergebnisse waren zu offensichtlich!

Wenn wir zu verschiedenen Malen den Ausdruck «Petrus und seine Nachfolger» verwendet haben, dann darum, weil dieser in der katholischen Kirche gebraucht wird. Indessen müssen wir feststellen, dass Jesus Christus und seine Apostel ihn nicht ein einziges Mal benützten. Diese eine Tatsache lässt für alle, die recht urteilen und die aufrichtigen Herzens die Wahrheit suchen, eine Spitzfindigkeit erkennen. Jesus sagt ausdrücklich: «Dir gebe ich die Schlüssel, damit gelöset sei, was du lösest und gebunden, was du bindest.» Nicht ein einziges Mal hat er gesagt: «Ich gebe sie dir und deinen Nachfolgern.» Nie hat er gesagt:

«Was du und deine Nachfolger lösen werdet, soll gelöst sein.» – Nicht ein einziges Mal sagte dies der Herr Jesus.

Er hat die Schlüsselgewalt auch nicht der Kirche übergeben.

Nicht ein einziges Mal hat er gesagt: «Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen und ihr des Himmelreichs Schlüssel übergeben.»

Er hat sie auch nicht dem apostolischen Kollegium übergeben. Er hat sie einzig und allein Petrus anvertraut.

Welches nun waren die Schlüssel, die ein einziger Mensch besitzen und benützen sollte?

Es handelt sich nicht um die Vollmacht zu lösen und zu binden, denn sie ist nach Kap. 18 des gleichen Evangeliums allen Aposteln übergeben: «Wenn zwei aus euch auf Erden einstimmig sein werden über was immer für eine Sache, um die sie bitten wollen, so wird es ihnen von meinem Vater, der im Himmel ist, gegeben werden. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.» Wir dürfen das Vorrecht der Schlüsselgewalt, das einem einzigen Menschen übergeben ist, nicht mit dem «lösen und binden» verwechseln, das Vielen verliehen ist. Es war ausschliesslich des Petrus Aufgabe, und niemand anders konnte sie verrichten: Er musste das Zeitalter der Kirche eröffnen, d. h. die Gnadenzeit, die Zeit der göttlichen Langmut, indem er am Pfingstfest zuerst den Juden und den Proselyten die Türen öffnete, und später den Heiden im Hause des Kornelius. Petrus selbst bezieht sich am Konzil zu Jerusalem mit Befriedigung und echter Freude auf dieses einzigartige Vorrecht, das ihm sein Herr gewährt hat:

«Männer, Brüder! Ihr wisset, dass Gott vor langer Zeit mich unter uns erwählet hat, dass die Heiden durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und glauben sollen» (Apg. 15,7).

Halten wir wiederum fest, dass Petrus nicht sagt:

«Männer, liebe Brüder, ihr wisst, dass Gott mich von Anfang an als unfehlbares Haupt der Kirche gewählt hat, darum rede und bestimme ich nun «ex cathedra» in Bezug auf unsere Debatte. Er sagt einfach: «damit die Heiden durch meinen Mund das Evangelium vernehmen und dass sie glauben».

So und nicht anders hat Petrus seine Schlüsselgewalt verstanden. Haben wir ein Recht, sie anders zu verstehen?

«Dir Petrus gebe ich die Schlüssel», sagt Jesus. Übergabe und Vorrecht sind einmalig! Er sagt nicht: «dir und den andern Aposteln», denn zur Eröffnung genügt ein einziger Mensch.

«Du aber, Petrus», gemäss diesem Text, «und die andern Apostel», nach Kapitel 18, «habt auf dieser Welt die Vollmacht zu lösen und zu binden, indem ihr Gottes Arm durch euer Gebet bewegt.» – Jesus aber sagt nicht: «dir und deinen Nachfolgern ist dies gegeben», denn der Begriff des apostolischen Nachfolgers ist vollständig unbekannt im Neuen Testament.

Die Apostel bildeten eine besondere Gruppe unter den Zeugen Jesu Christi. Deshalb wurde das Apostelamt Pauli in Frage gestellt, da er Jesus nach seinem Fleische nicht gekannt hatte. Dennoch verteidigte sich Paulus, indem er erklärte, er habe den Herrn in seiner Herrlichkeit gesehen, und somit stehe ihm das Recht zu, sich Apostel zu nennen (2. Kor. 12,1-6; 1.Kor. 9,1-3).

Welcher Papst aber hat jemals eines dieser beiden Vorrechte genossen? Worauf gründen sich die Bischöfe von Rom, um ihre apostolischen Rechte geltend zu machen? Wo finden wir eine Erklärung Christi oder Petri, gemäss welcher solche Rechte einem andern ausserhalb dem Kreis der Zwölf könnte zugesprochen werden?

Jesus sprach mit Bestimmtheit und wusste, was er sagen wollte. Jesus unterschied zwischen «Dir», «Euch» und «Sie».

«Du Petrus, du bist der Eckstein, oder anders gesagt, du bist der Architekt meiner Kirche, derjenige, der den Grundstein meiner Gemeinde legt, indem du meine Gottheit als erster vor allem Volk verkündigst. Dir übergebe ich die Schlüssel, dir übergebe ich dieses Sondervorrecht.»

«Euch Aposteln, gemeinsam mit Petrus, übertrage ich das Amt, meine Gemeinde zu bauen. Alles, was ihr in diesem Aufbauwerk tun werdet, geleitet durch den HI. Geist, der euch in alle Wahrheit führt, werde ich bestätigen» (Joh. 16,13).

«Euch, den Zwölfen, übergab ich das Amt, die ihr mit Petrus eins seid und euch auch seinem Bekenntnis zu meiner Gottheit angeschlossen habt. Dies Bekenntnis ist ja Eckstein meiner Gemeinde.[3]

Sie, die Kirche, wird eine Hilfe, eine übernatürliche Kraft empfangen, so dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen können.

Dir, Petrus, werden die Schlüssel übergeben, um die Gnadenzeit einzuweihen. Der Kirche aber wird die Kraft geschenkt, his ans Ende der Welt im Glauben zu widerstehen;

Wir sehen hier klar, wie Jesus genau unterscheidet und jedem das schenkt, was er bedarf, ohne sich irgendwo zu irren oder eine Verwirrung hervorzurufen. Obwohl diese Worte Jesu unmissverständlich sind, stützen sich die Katholiken doch noch auf einen besondern Text, mit welchem sie die Echtheit ihrer Auslegung begründen wollen: «Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende» (Matth. 28,20).

Es ist klar, dass weder Jesus noch die Apostel daran dachten, dass sie bis ans Ende der Welt leben würden. – Daraus schliesst nun die römische Kirche, dass Jesus dieses Wort auf die Nachfolger Petri bezog, da es sonst sinnlos wäre.

Daraufhin antworten wir: Es ist verständlich, dass Jesus diese Verheissung seinen Aposteln gab, und dass er nicht an ein ausgedehntes zeitliches Dasein dachte. Was Jesus verhiess, das hat er erfüllt, und alle seine Zusagen werden sich bis ans Ende der Tage erfüllen. Was aber wird er erfüllen? Das, was er verheissen hat, nämlich mit ihnen zu sein, bis an der Welt Ende. In den Evangelien will aber «bis an der Welt Ende» gleich viel besagen wie «allezeit».

Jesus Christus versichert seinen Aposteln mit dieser Verheissung, dass sie das ewige Heil empfangen, und nie wieder von ihm getrennt sein werden. Ihr eigenes Seelenheil ist sichergestellt, weil sie an ihn geglaubt haben, wie es in Johannes 5,24 heisst: «Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, wer mein Wort hört, und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben.»

Aus diesem Grund versichert er ihnen, dass er mit ihnen sein werde his ans Ende der Welt und in alle Ewigkeit: «Ich gehe hin, für euch einen Ort zu bereiten ... damit auch ihr seid, wo ich bin» (Joh. 14,2-4).

Jesus sah die Auseinandersetzung voraus, die man auf Grund dieser Aussage führen werde und hat sich deshalb mit aussergewöhnlicher Klarheit ausgedrückt, denn Wahrheit oder Verirrung entscheiden sich am rechten Verständnis dieser Worte. Beachten wir auch hier, dass Jesus, gleichsam wie in der Frage der Schlüsselgewalt, nicht sagt: «Ich werde mit euren Nachfolgern sein», sondern «mit euch».

Er sagt nicht: «Ich werde mit meiner Kirche sein», d. h. als einer Organisation oder einem hierarchischen Gebäude, sondern verheisst: «mit euch».

Dies «euch» lässt nur zwei Auslegungsarten zu: Die wörtliche, die sich nur auf die Gruppe der Apostel bezieht, wie wir soeben ausgeführt haben, und die allgemeine Auslegung, nämlich in Bezug auf die ganze Gemeinde Jesu, durch die Apostel dargestellt. Diese Auslegung ager umfasst alle Glaubenden aller Zeiten, die grossen und die kleinen und lässt keine Andeutung auf irgend eine Hierarchie zu.

Wir dürfen sicher sein, dass Jesus auch mit uns sein wird bis an der Welt Ende, mit uns, die wir ihn suchen, lieben und seiner frohen Botschaft glauben! Dies bestätigt Jesus auch anderseits, indem er sagt:

«Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen» (Matth. 18,20). Jesus wird uns nie verlassen. Es ist aber klar, dass uns dies Wort nicht unfehlbar macht.

Es ist offensichtlich, dass die Höllenmächte die Gemeinde nicht zerstören können. So lange es Menschen gibt, wird es auch immer solche geben, die den Herrn Jesus lieben und seine Gebote halten werden. Das wird die von ihm gegründete Gemeinde sein.

Deshalb halten wir uns an diese tröstliche Verheissung, betonen aber, dass sie keine Unfehlbarkeitsgarantie für irgendeinen Menschen ist. Die Katholiken behaupten, wenn die Kirche in dogmatische Fehler fallen könnte, wäre sie durch die Höllenmächte besiegt worden. Der Teufel, der Vater aller Verirrung und Lüge, hatte den Sieg über sie davongetragen. Wenn sich die Kirche in ihrer Lehre irrt, dann irrt sie sich in der Hauptsache, und die Verheissung Jesu kann sich nicht erfüllen.

Damit sich aber die göttliche Verheissung erfüllen kann, dass «die Pforten der Hölle ihr nichts anhaben werden», müssen alle ihre Lehren von jeglichem Fehler frei sein.

Daraufhin antworten wir, dass Jesus mit der Zusicherung, die Pforten der Hölle können der Kirche nichts anhaben, nicht eine absolute Unfehlbarkeit meinte, sondern die Bewahrung und Fortdauer durch die Zeiten hindurch.

Unter den zwölf Aposteln, die er gewählt hatte, ward einer ein Verräter, und die andern waren durch zahlreiche Fehler und Missetaten schuldig geworden. Der Herr musste sie ständig zurechtweisen, und nach seiner Himmelfahrt hatten die Apostel immer wieder gegen Fehler und Verirrungen anzukämpfen, die aus dem Jüngerkreis stammten. Nein, Jesus hat keinem Menschen das Vorrecht der Unfehlbarkeit eingeräumt, es sei denn allein dem Apostelkollegium, um unter der Leitung des Hl. Geistes zu lehren. Die Unfehlbarkeit der Apostel genügt, dass derjenige, der die Wahrheit finden möchte, sie auch finden kann.

Die Wahrheit erkennen wir in Jesus allein und in dem, das die Apostel taten und sagten, nachdem der HI. Geist über sie gekommen war. Es ist daher nicht notwendig, irgendeinem Menschen Unfehlbarkeit zuzusprechen.

Will jemand die Wahrheit kennen, so genügt es, ihn auf die Hl. Schrift hinzuweisen: «Hier, lies sie, halte und tue, was sie dir sagt. Derjenige, der sich nach ihr richtet, wird leben. Wer sich aber von der Schrift abwendet, wird weder Leben noch ewigen Frieden empfangen.»

Es ist einleuchtend, dass man, um dies zu sagen, nicht unfehlbar sein muss. Weil es immer Menschen geben wird, die diese Wahrheiten verkünden und nach ihnen handeln werden, hat Jesus sagen dürfen, dass die Pforten der Hölle der Kirche nichts anhaben können, dass seine Gemeinde nie zerstört wird!

*

Dem Gesagten möchte ich eine wirklich geschehene kleine Anekdote beifügen.

Eine Gruppe junger evangelischer Christen, das Abzeichen des Baptistenbundes tragend, kehrte von einer Bibeltagung zurück. Im Zug wurden sie von einem Jesuitenpater erkannt. Er näherte sich ihnen und fragte sie:

«Was ist das für ein Abzeichen, das ihr tragt? »

«Es ist das Abzeichen der Jugend des Baptistenbundes.»

«Ist das möglich? Protestanten? Wer hat euch dazu verführt? »

Nach etlichen ironischen Bemerkungen wollte der Jesuitenpater ihrem Glauben das Licht ausblasen. «Wer hat euch diesen Glauben beigebracht?» fragte er.

«Die Bibel», antworteten sie. «Wunderbar! Ihr wisst aber, dass die Bibel aus etlichen Büchern besteht, die unter vielen ausgewählt worden sind. Die einen gelten als heilige Schriften und von Gott inspiriert, die andern als apokryph, die nur Menschengeschichte berichten und des göttlichen Geistes mangeln. Sagt mir nun, wer denn die Wahl getroffen hat und wer euch garantiert, dass ihr diesen und nicht jenen Bibelteilen Glauben schenken sollt? Wenn es keine unfehlbare Autorität gibt, so ist euer Glaube an die Bibel allein unbegründet.»

Alle blieben einen Augenblick still und waren von den Argumenten betroffen. Indessen wandte sich einer höflich an den Jesuiten und sagte ihm:

«Wissen Sie, aus wie vielen Teilen sich die, Göttliche Komödie' von Dante zusammensetzt?»

«Aus drei Teilen», antwortete der Jesuitenpater:

«Der Hölle, dem Fegfeuer und dem Paradies.»

«Und wissen Sie, fuhr sein Fragesteller fort, wer der Autor der ,Ilias' und der ,Odyssee' ist?»

«Homer, das liegt auf der Hand.»

«Sind Sie sicher?»

«Zweifellos.»

«Wenn ich ihnen aber sagen würde, die ,Göttliche Komödie' enthalte einen 4. Teil, den Limbus beschreibend, oder die ,Odyssee' und ,Ilias' seien von Vergil, was würden Sie mir sagen? »

«Dass Sie nichts wissen!»

«Sie würden recht haben. Jetzt aber frage ich Sie: Mussten Sie, um zu dieser Gewissheit zu gelangen, ein Geschichtsforscherkollegium befragen mitsamt unfehlbaren Kritikern? »

«Nein!»

«Sie sagen mit Bestimmtheit, Nein’, denn weder Sie noch irgend jemand braucht dies zu tun. So betrachten wir den Menschen als dumm und unwissend, der, um sich zu überzeugen, dass die ,Göttliche Komödie' aus drei und nicht aus vier Teilen besteht, die ,Odyssee' von Homer und die ,Eneida' von Vergil geschrieben wurden, sich an eine literarische Akademie wenden muss, die noch ...  unfehlbar wäre! Wir wissen sogar mit Sicherheit, wenn wir wollen, was Homer oder Horaz oder Vergil gesagt haben. Und wir wissen nicht allein, was sie gesagt haben, sondern auch, wie sie sich ausdrückten. Wir erkennen zudem die Ausgaben, die Weglassungen oder Zwischenbemerkungen oder Veränderungen aufweisen, ohne eine unfehlbare Behörde zu befragen.

Die Forderung nach einer unfehlbaren Autorität, damit man nach Gutdünken die Aussagen der Apostel erklären kann, die aber ihrerseits unzweifelhaft unfehlbar sind, ist absurd vonseiten der katholischen Kirche. Es genügt uns, zu wissen, was sie gesagt haben, um unseres Glaubens sicher zu sein.

Und ich füge bei: Welche Obrigkeit dieser Zeit würde es wagen, irgend jemand das Lesen der Schriften des Matthäus, Johannes, Petrus oder Paulus zu verbieten? Die Kirche verbietet dies, d. h. erlaubt die Lektüre nur dann, wenn der Text von einem katholischen Theologen erklärt ist.»

«Das versteht sich von selbst», erwiderte der Jesuit, «denn es sind nicht alle fähig, die Schriften zu verstehen.»

Gewiss, so wenig wie alle Dante verstehen können; und obwohl wir um die Zweckmässigkeit der Kommentare wissen, so hat es niemand je verboten, den Urtext zu lesen. Wenn Pater Bover, Pater Pons oder Nacar Colunga (spanische Bibelübersetzer) etliche Worte an den Textrand setzen, so dürfen wir Lukas und Johannes lesen! Wenn anderseits kein katholischer Ausleger sie erklärt, so kommen die Schriften des Johannes unter den Index als verbotene Lektüre.

Unter den Index! die Schriften des Matthäus!

Unter den Index! die Schriften des Paulus!

Und – das ist ja der Gipfel der Torheit – die Schriften des «ersten Papstes, des Ecksteines der Kirche, den Jesus selber gesetzt hat», sind dem Index verfallen, wenn ein katholischer Theologe seine Erklärungen nicht beigefügt hat. So muss ein fehlbarer Mensch Gültigkeit und Recht dem Text und Wort desjenigen verschaffen, der einst das Vorrecht der dogmatischen Unfehlbarkeit vom Herrn selbst empfing!»

Wir finden in den Evangelien noch eine andere Wahrheit, die im engsten Verhältnis zum Gesagten steht. Jesus versprach tatsächlich seinen zwölf Aposteln, dass sie am Gerichtstage Gottes mit ihm auf zwölf Thronen sitzen werden, um mit ihm die zwölf Stämme Israels zu richten (Matth. 19,28).

Wir wollen nochmals festhalten, dass Jesus dieses Vorrecht einzig und allein den Aposteln und niemand sonst gegeben hat. Er spricht nicht von Thronen für die Nachfolger Petri.

Alle andern aber, Päpste, Kardinäle, Bischöfe, Priester und Laien, die nicht zu den Zwölfen gehören, werden vor dem von Jesus geleiteten göttlichen Gericht stehen. Die Apostel werden nicht gerichtet werden. Sie werden mit dem richtenden Herrn, unserm Herrn Jesus Christus, zusammen sein. – Logische Folgerung: Petrus und die andern Apostel sind durch eine unergründliche Kluft von den Päpsten, Bischöfen, ihren sogenannten Nachfolgern, getrennt. Dies ist abermals ein Beweis, dass die Vorrechte, die Jesus seinen Aposteln geschenkt hat, persönlich und unübertragbar sind. Er hat sie ihnen geschenkt, weil sie seine Mitarbeiter waren, die Mitglieder des Apostelkollegiums und die Mitbegründer der Kirche.

Beschliessen wir dieses Kapitel, das so klar ist für uns, die wir die Lehre des Evangeliums annehmen, das aber durch folgende Zwangslage so dunkel ist für diejenigen römischen Katholiken, die ihre Augen vor der Wahrheit verschliessen.

Um die päpstliche Unfehlbarkeit zu beweisen, müsste man zeigen können, dass l. Jesus Christus die Schlüsselgewalt seiner Kirche übergeben hat, d. h. Petrus und seinen Nach­folgern, oder 2. dass Petrus, der die Gewalt hatte zu binden und zu lösen, alle seine Vorrechte den Bischöfen von Rom als seinen Nachfolgern übergeben hat.

Da sich aber weder das eine noch das andere beweisen lässt, so hat in dieser Welt niemand das Recht, sich als unfehlbar zu erklären.

2. Kapitel

DIE NOTWENDIGKEIT EINER SICHTBAREN KIRCHE

Um die Unfehlbarkeit des Papstes und der römischen Kirche zu beweisen, greift der Katholizismus noch zu einem andern Argument und sagt: «Es muss eine Autorität bestehen, die die heiligen Schriften und die Lehre Jesu verwaltet.»

Es ist wahr, dass man die heiligen Schriften und die Lehre Jesu nicht einfach in jedermanns Händen lassen kann, damit ein jeder sie nach seinem Belieben ändere oder gar vernichte. Das geben auch die Protestanten zu. Dies beweist aber noch nicht die Notwendigkeit des Bestehens einer unfehlbaren Autorität. Eine bestimmte Autorität zu besitzen, damit man in Glaubensfragen zu absoluter Gewissheit gelangen mag, war immer wünschenswert gewesen. Jedoch hat es dies bis heute nie gegeben.

Es wäre für die Israeliten gut gewesen, eine unfehlbare Autorität zu besitzen, um die heiligen Schriften auszulegen. Hätten sie eine solche gehabt, wäre Jesus wahrscheinlich nicht von jenem «Kirchengericht», das ihn der Gotteslästerung beschuldigte, verurteilt worden. Und wenn nun Gott während so vieler Jahre die wichtigsten Glaubenssätze in steter Diskussionsgefahr gelassen hat, so erhebt sich die Frage, warum es nicht auch weiterhin so sein kann?

Aus dem Bisherigen können wir schliessen, dass eine Behörde, – heisse sie nun Kirche, Synagoge, Konzil oder Kollegium – notwendig ist, um die Integrität der christlichen Lehre zu erhalten, wie dies übrigens für alle Wissenschaften zutrifft. Man kann die Schriften Homers, Vergils oder anderer nicht zerstückeln. Wagte jemand dies zu tun, so sei er daran erinnert, dass es Urtexte, kritische Dokumente und kompetente Spezialisten gibt, die ein solches Unternehmen von vorneherein unmöglich machen. Diese aber sind nicht unfehlbar. Die Leute wissen dies und vertrauen ihnen doch. Warum sollte man in religiöser Hinsicht nicht auch so handeln können, und zwar, ohne dass man zu einer päpstlichen oder kirchlichen unfehlbaren Autorität Zuflucht nimmt? Um eines oder mehrere Bücher zu bewahren, braucht man nicht unfehlbar zu sein. Die Juden haben ihre heiligen Bücher während Jahrhunderten bewahrt, ohne unfehlbar zu sein. Eine Notwendigkeit beweist nun aber noch nicht im Geringsten das Bestehen einer unfehlbaren Autorität.

Der Irrtum der Katholiken ist, zu glauben, die Kirche selbst habe den Menschen neue Lehren aufzustellen und ihnen den Heilsweg zu weisen. Dies ist ihr Hauptirrtum. Wäre dem so, dann brauchte sie, wie die Apostel und Evangelisten, die Unfehlbarkeit. Die Aufgabe der Kirche aber ist eine andere. Sie hat zu bezeugen, dass Weg, Wahrheit und Leben sich im Gehorsam gegen das göttliche Wort finden, das wir in der heiligen Schrift in besonders vollkommener und endgültiger Weise im Neuen Testament besitzen. Was Petrus und die andern Apostel bezeugt haben, ist Wahrheit; was sie aber verurteilen, ist bestimmt ein Irrtum.

Seither müssen alle, die die Wahrheit kennen wollen, zu ihren Lehren greifen, die sie uns schriftlich überlassen haben. Jesus hat diesen Eckstein gesetzt: seine Unfehlbarkeit genügt uns. – Die katholische Kirche aber versucht die Wahrheit Jesu und seiner Apostel nach ihrem Belieben zu ändern. Sie sucht der Menschen Heil von ihr abhängig zu machen. Das Heil der Menschen aber hängt ausschliesslich von Jesus Christus, unserem Erlöser und Heiland, ab. Er ist der Weg! Er hat niemals gesagt, die Kirche sei es! Das wird uns in Johannes 14,6 deutlich bezeugt: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater ausser durch mich.»

Die römische Kirche aber behauptet, sie selbst sei der Weg, die absolute Herrin der Wahrheit, um dieselbe nach ihrem Gutdünken zu ändern. Um zu ihrem Ziele zu gelangen, hat sie den Klerus an Stelle des Herrn und sich an Stelle des Wortes Gottes gesetzt.

3. Kapitel

DIE EINHEIT DER KIRCHE

In vier verschiedenen Punkten unterscheidet sich die wahre Kirche von der falschen. Sie ist eine, heilige, katholische (d. h. allgemeine) und apostolische Kirche. Die eine wahre Kirche vereinigt dies alles in sich.

Die Einheit ist das charakteristische Zeichen der wahren Kirche. Die Katholiken behaupten nun: Die römische Kirche allein besitzt diese vier Eigenschaften, vor allem aber diejenige der Einheit, da sie eine Herde mit einem Hirten bilde. Die andern Kirchen aber sind verschie­denen Herden, mit verschiedenen Hirten zu vergleichen.

Die römisch-katholische Kirche ist also die wahre! Daraufhin antworten wir: Wer aufrichtig und ohne Vorurteil das Christentum im Lauf der Jahrhunderte betrachtet, stellt fest, dass es nie eine völlige Einheit gegeben hat. Paulus bedauerte, dass die einen sagten:

«Ich bin paulisch», andere: «Ich bin apollisch», die dritten: «Ich bin kephisch», so dass er fragen musste, ob denn Jesus Christus eigentlich getrennt sei (1. Korinther 1, 12-13).

Seit den ersten Jahrhunderten gab es Spaltungen und Sektiererei. Beide aber entstanden nicht ausserhalb, sondern innerhalb der Kirche, d. h. unter ihren Gliedern. Somit dürfen wir wohl behaupten, dass die Kirche Jesu nie eine Herde war, noch einen einzigen Hirten hatte, ja, dass sie nie die Einheit besass, um die Jesus seinen Vater bat (Joh. 17, 21), nämlich die Einheit, die zwischen ihm und dem Vater bestand. Heute nun sagt man: «Es gibt nur eine Kirche, die wirklich eine Herde mit einem Hirten bildet, es ist die römisch-katholische!»

Ein offensichtlicher Trugschluss ! denn jede Kirche kann mit dem gleichen Recht, wie die katholische, auf ihrer Einheit beharren und behaupten, dass auch sie einen einzigen Hirten hat, nämlich Jesus, den Erzhirten! Selbst innerhalb des Protestantismus, der ja am meisten zersplittert scheint, kann jede Kirche von ihrer Einheit reden, handle es sich nun um die lutherische, reformierte, anglikanische oder die methodistische.

Zwar wird man antworten: «Alle diese Kirchen gehören zum Protestantismus und darum müssen wir von dessen Zersplitterung reden.» Gewiss! aber wir dürfen wiederum nicht vergessen, dass alle diese Kirchen, mitsamt der katholischen zur christlichen gehören, die nun ihrerseits für den Nichtchristen zersplitterter als irgendeine Religion erscheint.

Diejenigen, die dem Protestantismus Zersplitterung vorwerfen, sollen bedenken, dass man dies dem Christentum überhaupt nachreden muss. Buddhisten und Mohammedaner können, auf die Christen hinweisend, sagen: «Weil ihr so zersplittert seid, besitzt ihr nicht die Wahrheit.» Wir sehen nur, dass dieses Argument, das übrigens vom redegewandten Bossuet auf den Leuchter gestellt wurde, letztendlich ein zweischneidiges Schwert ist, das ganz und gar nichts gegen den Protestantismus beweist!

Können wir aber bei solcher Verschiedenheit die religiöse Wahrheit noch erkennen? Nicht durch das Merkmal der Einheit, denn darauf können alle den Anspruch erheben, sondern durch die Entfaltung und Bezeugung wahrhaft christlicher Wesensart.

Die Kirche, die in Lehre und Leben dem Evangelium Jesu Christi am nächsten kommt, wird die wahre Kirche sein, nicht wegen ihrer äussern Einheit, sondern weil sie eins ist mit Christus.

4. Kapitel

DIE TRADITION

Die katholische Kirche erklärt, dass wir unsern Glauben nicht allein auf die Hl. Schrift, sondern auch auf die Tradition zu gründen haben.

Es ist klar, dass die katholische Kirche die Tradition nicht entbehren kann, denn auf ihr fussen ihre Lehren. Ohne die Tradition könnte sie diese Lehren auch nicht begründen, die sie den Menschen als Glaubensartikel aufzwingt.

Was nun den Wert der Tradition als Glaubensgrund anbetrifft, haben wir Folgendes zu sagen:

I. Für alle Glaubensartikel, die sowohl in der Bibel wie in der Tradition enthalten sind, genügt uns die Bibel als Beweis. Wir benötigen das Argument der Tradition nicht.

2. Die Lehren, die uns nicht durch die Bibel, sondern nur durch die Tradition[4] überbracht sind, und die dann durch die Kirche als Glaubenssätze aufgezwungen wurden, nehmen wir nur an, wenn sie mit dem Geist der Schrift übereinstimmen. Wir wissen, dass die Apostel und Evangelisten in ihren Schriften unfehlbar waren, und dass alles, das sie taten, sagten oder schrieben, unter der Leitung des HI. Geistes geschah im Auftrag des Herrn. Wir nehmen nun diese Wahrheiten nicht an, weil sie uns durch die Tradition überliefert worden sind, sondern weil sie sich auf das Wort Gottes gründen.

Es ist klar, dass, wenn die Lehrer und Kirchenväter persönlich nicht unfehlbar sind, sie es auch kollektiv nicht sind, denn Jesus hat ihnen keine Sondervorrechte eingeräumt. So betrachten wir sie als mehr oder weniger zuverlässig, auf alle Fälle nicht als unfehlbar.

3. Was nun die biblischen Wahrheiten anbelangt, denen jedoch die Tradition einen andern Sinn gibt, als sie im Text selber haben, sagen wir: Wenn wir dem, was Jesus und die Apostel uns gegeben haben, nicht vertrauen können, dann noch viel weniger dem, das ihr uns sagt.

Wir sehen anderseits gar nicht ein, warum die Lehren, durch die Tradition überliefert, für uns Glaubenswahrheiten sein könnten, wie es die katholische Kirche behauptet. Die Katholiken betonen, dass der Glaube zuerst durch die Predigt zu den Menschen kam und nicht durch die Schriften. Darum behaupten sie auch, die Apostel hätten nie ermahnt, die Bibel zu lesen, um in ihr den Glauben und das Heil zu finden. Hier begegnen wir wiederum einem gewaltigen Trugschluss der katholischen Kirche. Jesus einerseits hat nichts aufgeschrieben, weil er wusste, dass es die Aufgabe der Apostel und Jünger sein werde, zu predigen und zu schreiben, was er sie gelehrt hatte. Zudem konnten die Apostel die Menschen nicht ermahnen, Jesu Lehre zu lesen, denn es gab damals noch keine Buchdruckerei, und seine Lehre hätte nicht mit der notwendigen Schnelle verbreitet werden können. Damals konnte man nur sehr wenige Exemplare schreiben, und selten fand sich jemand, der sich ein solches Werk kaufen konnte.

Wie dem auch sei, es ist falsch zu sagen, dass die Apostel nur durch die Predigt den Glauben verbreiteten, denn jedes Mal, da sie sich nicht zu den Gläubigen eines Ortes begeben konnten, verfassten sie einen Brief, der in den Versammlungen gelesen wurde; dies trifft vor allem für den Apostel Paulus zu. Vermutlich schrieben sie die Evangelien und die Apostelgeschichte, damit die Leute sie lesen und an Christus glaubten![5]

Wenn die Apostel von Jesus die Unfehlbarkeit in der Lehre empfangen haben, dann wirkte sich dies nicht nur aus auf das, was sie redeten, sondern auch auf das, was sie schrieben. Aus diesem Grunde kann heute noch jeder Aufrichtige die wahre Lehre Jesu kennen und besitzen, obwohl die Apostel gestorben sind und nicht mehr sichtbar unter uns wandeln. Wir wissen, dass es nur eine Lehre gibt, von etlichen Männern geschrieben, die von Jesus bevollmächtigt wurden, in Unfehlbarkeit das zu lehren, das er ihnen selbst gegeben hatte.[6]

Anderseits ist nun sicher, dass nicht alle Worte Jesu und seiner Apostel im Neuen Testament schriftlich überliefert worden sind, denn in Joh. 21,25 heisst es:   

«Es ist aber auch noch vieles andere, was Jesus getan hat; wollte man dieses einzeln auf­schreiben, so glaube ich, würde die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.»

Aus dieser Tatsache leitet nun die katholische Kirche die Notwendigkeit einer Tradition ab, die uns alle Glaubenswahrheiten unverfälscht überliefert. Darauf antworten wir wieder: es ist nicht möglich, dass die Apostel – und Jesus noch viel weniger – jemals etwas verkündigt haben, das sie kurz zuvor anders lehrten; sie haben kaum jemals nebensächliche Dinge aufgeschrieben, um dafür entscheidende Wahrheiten im Blick auf das ewige Leben auf der Seite zu lassen. Selbst dann, wenn wir zugeben, dass nicht alles niedergeschrieben worden ist, so sind wir doch gewiss, in der Schrift die ganze Wahrheit Jesu Christi zu besitzen und alles zu kennen, das zum ewigen Leben notwendig ist. Wir wiederholen, dass die Aufgabe der Kirche darin besteht, die Glaubensschätze in Reinheit zu erhalten und jede Abänderung oder Fälschung zu hindern. Niemals aber wird man beweisen können, dass sie die Vollmacht besitzt, auch nur das Geringste zu verändern oder diesem Glauben zuzufügen.

5. Kapitel

MARIA, UNSERE MUTTER

Nach dem bisher Gelesenen wird man sich wohl wundern, was ich behaupten werde: Wir sollen die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, von ganzem Herzen lieben und verehren. Wer Gott liebt, liebt auch das, was von Gott stammt. Darum müssen wir den Nächsten lieben. Derjenige, der Jesus liebt, liebt alles, was von Ihm stammt; wie auch wir alles schätzen, was zu einem von uns geliebten Menschen gehört, sowohl seine Familie, wie auch seine Freunde. Daher sind wir verpflichtet, Maria, die Mutter Jesu, zu lieben. Wer war ihm näher als seine Mutter? Sie wachte über ihn in mütterlicher Liebe, sie diente ihm während seines ganzen Lehens. Sie erfüllte in vollkommener Weise seine Gebote, so dass wir, die wir Jesum lieben, auch sie herzlich lieben und ihr dankbar sein sollen für alles, was sie unserem geliebten Herrn getan hat. Jeglich Ding aber hat seine Grenzen. Wir haben kein Recht, Maria mehr zu lieben als unsern Herrn Jesus. Wir dürfen sie auch nicht über ihn erheben oder sie in das Zentrum unseres christlichen Lebens stellen. Niemand kann den Platz einnehmen, der dem Herrn Jesus zukommt. Hätte er uns während seinem Leben Anweisungen dazu erteilt, so würden wir seinem göttlichen Willen gemäss handeln.

Nirgends aber sagen uns weder Jesus noch die Apostel, dass uns Menschen die Gnade Gottes durch Vermittlung der Maria zuteil wird. Maria, als universale Gnadenmittlerin, ist eine nachträgliche Erfindung katholischer Autoren und mangelt jeglichen Schriftbeweises. Das Neue Testament seinerseits widersetzt sich förmlich solcher Marienverherrlichung.

Es ist wahr, dass sie von Gabriel die «gebenedeite unter den Weibern» genannt wird. Als solche wird sie ebenfalls von allen evangelischen Christen gepriesen. Ich muss bekennen, dass ich, wie die meisten Katholiken, eine falsche Vorstellung von der Haltung der evangelischen Christen der Maria gegenüber hatte. Im Verkehr mit ihnen stellte ich meinen Irrtum fest. Tatsächlich liebt niemand Maria, die Jungfrau, so sehr, wie diejenigen, die sich Protestanten nennen.

Durch die Evangelien besitzen sie die Freiheit jedoch nicht, Maria über Jesus zu erheben. Denn nirgends in den heiligen Schriften wird gelehrt, sie sei Mittlerin, Königin der Engel, Verwalterin aller himmlischen Gnaden.

Als Maria Jesus rief, wurde ihm gesagt: «Deine Mutter und deine Brüder sind draussen und suchen dich.» Hierauf antwortete der Herr, und dies ist für den Katholiken, der in ihr traditionsgemäss nur die Himmelskönigin sieht, verwunderlich: «Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? ... Siehe, da ist meine Mutter und meine Brüder! Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter» (Mark. 3, 33-35).

Gleicherweise antwortet der Herr jener Frau, die begeistert von seiner Rede, seine Mutter mit den überschwänglichen Worten preist: «Selig ist der Leib, der dich getragen und die Brüste, die du gesogen.» Der Herr lobt sie nicht, obwohl sie nur nach römischkatholischer Weise mit der Marienverherrlichung vor greift, und erlaubt eine Verehrung seiner Mutter nicht – wie es heute irgendein Priester tun würde –  sondern antwortet ganz einfach: «Ja, freilich sind selig, welche das Wort Gottes hören, und dasselbe beobachten» (Lukas 11, 28).

Jesus Christus stellt nicht in Abrede, dass Maria als «gebenedeit» zu gelten habe. In diesen beiden Episoden vermindert er sichtbar die Wichtigkeit der Person der Jungfrau und stellt ihren Glauben und Gehorsam dem göttlichen Wort gegenüber höher. Mit andern Worten ausgedrückt: Unser Herr handelt nicht als Katholik, sondern wie irgendein evangelischer Christ unserer Tage.

Haben wir hier nicht ein kräftiges Argument in Händen?

Demgegenüber sehen wir, wie im Katholizismus der Marienkult die ganze Frömmigkeit des Volkes beansprucht, und wie die der Maria geweihten Gotteshäuser, Einsiedeleien und Wallfahrtsorte zahlreicher sind, als die dem Herrn zugedachten. Wir haben es mit einer Umkehrung der Werte zu tun.

Aber man antwortet uns: Sie ist unsere Mutter. Wenn wir diesen katholischen Glaubenssatz untersuchen, so erkennen wir, dass er sich nur auf die Worte stützen kann, die Jesus am Kreuze sprach: «Siehe, deine Mutter.» Johannes ist der einzige Evangelist, der sie uns überliefert. Aber die katholischen Ausleger glaubten die Worte Jesu richtig zu verstehen mit der Behauptung, Jesus stelle damit Maria als die Mutter vergangener, gegenwärtiger und kommender Menschen dar und vertraue ihr alle ihre Kinder an. In den Evangelien aber ist deutlich gesagt, dass Jesus dem Petrus alle Menschen anvertraut, und zwar mit den Worten: «Weide meine Lämmer, weide meine Schafe.» Jesus besass keine Schafherden; es ist klar, dass er damit die Menschen bezeichnete. Er befiehlt ihm diejenigen an, die er als Schafe einer Herde betrachtete, die vor seinem Kommen keinen Hirten hatten, und die nach seinem Weggang zum Vater dessen wieder beraubt sein werden. Darum sagt er: «Hüte sie, Petrus, nähre sie mit dem lautern Wort, das ich dir gegeben habe.»[7]

Wir werfen die Frage auf: «Warum befiehlt sie der Herr dem Petrus an, wenn er sie doch schon Maria übergeben hat, ihr aber nicht bloss als einer Hirtin, sondern als einer Mutter? Hat der Herr etwa kein Vertrauen in seine Mutter? Oder genügt ihr Schutz nicht? »

Wenn man die römisch-katholische Auslegung annimmt, so bilden diese beiden Stellen einen krassen Widerspruch.

Tatsache ist, dass Jesus seine Mutter dem Johannes, die Menschen aber Petrus anbefiehlt. Hätte Jesus tatsächlich gewollt, dass sie unser aller Mutter wäre, so hätte es ihm nichts ausgemacht, denjenigen, die beim Kreuze standen, zu sagen: «Siehe, eure Mutter!», anstatt allein zu Johannes zu sagen: «Siehe, deine Mutter.» Es hätte ihm auch nichts ausgemacht, seiner Mutter zu sagen: «Siehe, deine Söhne.»

Wäre Johannes allein unter dem Krenz gestanden, würde uns die katholische Auslegung eher annehmbar sein. Jedoch befand sich Maria Magdalena mit andern gottesfürchtigen Frauen und etlichen Jüngern dort. Das Evangelium lässt keinen Zweifel aufkommen: Jesus wendet sich allein an Johannes, um ihm zu sagen, er müsse fortan die Rolle eines Sohnes bei seiner Mutter übernehmen. Er solle sich ihrer in kindlicher Liebe annehmen und sie in ihrer Einsamkeit wie ein echter Sohn trösten. Jedoch Maria bittet er, nicht über die Massen traurig zu sein, sondern Johannes, seinen Lieblingsjünger, an seiner Stelle wie den eigenen Sohn aufzunehmen.

Um diese Schriftstelle besser zu beleuchten, wollen wir ein allgemein verständliches Beispiel bringen. Ein Bauer möchte seinem Freund einen Sack Korn schenken zum Zeichen der Dankbarkeit und der Freundschaft. Indem er ihn in die Kornkammer führt, sagt er zu ihm: «Hier ist dein Sack, du kannst ihn holen, wann du willst.» Wenn nun aber dieser Freund, dem der Sack Korn geschenkt wurde, mit einem Wagen anfährt, um alle Säcke wegzuführen, weil ihm gesagt wurde, hier sei sein Sack, so wird ihm das niemand erlauben. Wer von uns würde glauben, dass ihm alles gehöre, weil sein Freund sagt: «Hier hast du deinen Sack!» Ist nun aber das Geschenk ein lebendiges Wesen, z. B. eine Taube in einem Taubenschlag, so wird sie der Besitzer einem Kinde mit den Worten schenken: «Siehe, hier ist dein Täubchen.» Und vielleicht wird er dazu das Täubchen liebevoll in die Hand nehmen und zu ihm sagen: «Geh' nun mit ihm, denn es wird fortan dein Meister sein.» Wird nun jemand denken, er gebe den ganzen Taubenschlag oder die eine Taube allen Kindern des Quartiers?

Das Wort, das Jesus in der Einzahl verwendet hat, trägt unbedingt den gleichen Sinn: «Siehe, deine Mutter.» Wir müssen es wörtlich nehmen, denn es ist kein Grund vorhanden den Text bildlich zu verstehen.

Tatsache ist vielmehr, dass eines Tages ein Redner diesen Satz poetisch gestaltete. Dies gefiel den Menschen, wurde volkstümlich, und die Tradition gründete sich darauf. So entwickelte sich der ganze katholische Marienkult.

Vergessen wir nicht, was wir schon früher gesagt haben, da wir vom Papst und der Schlüsselgewalt sprachen: Jesus spricht unmissverständlich. Er weiss seine Gedanken klar auszudrücken.

6. Kapitel

MENSCHENGESETZE

Der Gottesdienst in lateinischer Sprache

Wäre die katholische Kirche die unfehlbare Kirche Jesu Christi, würde sie nicht so viele absurde Vorschriften herausgeben.

Da sie aber solche aufstellt, ist sie nicht die wahre Kirche Jesu.

Wir wollen in diesem Kapitel die hauptsächlichsten dieser Vorschriften aufzählen. Die katholische Kirche behauptet, die hl. Messe sei die echte Wiederholung des von Jesus vollbrachten Opfers am Kreuz. Jesus Christus opfere sich nun auf dem Altar, zwar ohne Blutvergiessen, jedoch so wie er damals auf dem Hügel Golgatha für uns geopfert wurde als blutendes Opferlamm. Weiter behauptet sie, die Messe sei die Wiederholung des letzten Mahles unseres Herrn, als er das Brot in seinen Leib und den Wein in sein Blut verwandelte.

Es handelt sich hier nicht um eine blosse Gedächtnisfeier, vielmehr um den wichtigsten Akt im katholischen Gottesdienst.

Nehmen wir an, die Messe sei wirklich eine Wiederholung des Kreuzesopfers und des Nachtmahls, so bleibt doch ein absurder Widerspruch bestehen. Gemäss der katholischen Lehre kann diese Wiederholung des Opfertodes nur in lateinischer Sprache zelebriert werden. Diesem Geschehen misst sie eine solche Bedeutung bei, dass sie es vorzieht, die Messe lieber nicht zu zelebrieren als in einer andern gewöhnlichen Sprache. Indessen weiss jedermann, dass Jesus weder beim letzten Mahl noch am Kreuz sich der lateinischen Sprache bedient hat. Man ist sich bewusst, dass auch die meisten Gläubigen, die an der Messe teilnehmen, und für welche die Handlung geschieht, nicht lateinisch verstehen.

Jedermann weiss auch, dass beim Messopfer durch einen Chorknaben gedient werden kann, auch wenn er die lateinische Sprache nicht beherrscht und nichts von dem versteht, was er zu sagen hat. Und dies Kind soll nun die gläubige Gemeinde darstellen! ... Wenn die Messe in seiner Muttersprache gelesen würde, könnte es richtig auf die Fragen des Priesters antworten. Es würde verstehen, was er sagt, und könnte mit gläubigem Sinn der ganzen Amtshandlung folgen. Trotzdem zieht es die katholische Kirche vor, Herrenmahl und Passion nicht in einer gewöhnlichen Sprache noch in der von Jesus oder den Aposteln gebrauchten Sprache zu feiern. Welche Umkehrung der Werte! Der Inhalt wird der äusseren Form geopfert. Das Ziel wird zum Mittel und das Mittel zum Ziel gemacht! Dies aber geschieht zum Nachteil der Seelen! Viele Priester lesen nur mit grosser Mühe ihr lateinisches Brevier, und darum haben sie kaum einen Gewinn davon. Wenn sie es in ihrer Muttersprache lesen könnten, würden sie es besser verstehen. Zudem würde es sie innerlich fördern und sie könnten auch die katholische Lehre besser ergründen. Trotzdem begeht, gemäss der katholischen Kirche, der Priester, der sein Brevier in seiner Muttersprache liest, eine Todsünde.

Wir stellen nun die Frage: Kann jemand glauben, dass dann, wenn wir zu Gott sagen: «Miserere mei, Deus secundum magnam misericordiam tuam», Gott uns mit Genugtuung anhört, dass aber anderseits, wenn wir zu ihm sprechen: «Herr, erbarme dich meiner nach deiner Güte», Gott dies nicht hört? Nicht allein das, sondern sogar beleidigt ist und den Priester, der also zu sprechen wagt, der ewigen Verdammnis übergibt? Abermals müssen wir sagen, dass das Ziel zum Mittel, das Mittel aber zum Ziel wird, und dies zum Schaden unsterblicher Seelen.

Werden wir damit nicht an den pharisäischen Geist erinnert?

Wird nun den Glaubenden ein Sakrament gespendet, so begreifen sie nichts von dem Gesagten. Sie hören eine Sprache, die sie nicht verstehen. Die katholische Kirche weiss dies und zieht es trotzdem vor, die Leute nichts verstehen zu lassen, obwohl sie dabei ihrer Andacht verlustig gehen. Sie lehnt es ab, die Sakramentsspendung so geschehen zu lassen, dass sie ihren tiefen Sinn verstehen und einen innern Gewinn davontragen.

Wer die katholische Liturgie kennt, bedauert tief, dass die Gläubigen vieler Segnungen verlustig gehen durch diese Vorschrift. Welche Freude würden sie empfinden, wenn sie z. B. die Taufworte, die Absolutionsformeln oder die Begräbnisgebete verstehen könnten, usw.

Noch einmal müssen wir sagen: Die Mittel werden als Zweck und der Zweck als Mittel betrachtet.

Es ist recht, lobenswert und nützlich, dass die Kirche ihre eigene internationale Sprache besitzt, denn sie kennt keine Grenzen. Und wenn der Papst oder die Kirchenversammlung ethische oder dogmatische Richtlinien geben müssen, so mögen sie es in dieser Sprache tun, da sie ja nicht die den Aposteln damals geschenkte Sprachengabe ererbt haben. Was aber tut nun die katholische Kirche, wenn sie will, dass die von ihr ausgegebenen Befehle von allen Gläubigen befolgt werden? Man sendet eine Enzyklika, eine Apostolische Konstitution oder eine Bulle, und zwar immer in lateinischer Sprache, an alle Völker. Aber dann muss in jedem Lande eine Übersetzung in die betreffende Sprache gemacht werden, damit die Befehle von jedermann verstanden werden! Aufs neue stellen wir die Frage: «Warum kümmert sich die Kirche nicht darum, dass die Glaubenden so viel als möglich von den religiösen Handlungen und Sakramenten gewinnen können? » Wenn sich die Kirche ihrerseits nicht darum kümmert, so können wir sagen, dass die Apostel als die unfehlbaren Meister der evangelischen Wahrheit sehr darum besorgt waren. Hören wir was Paulus im 1. Korintherbrief, Kapitel 14,7-21 sagt: «Schon die leblosen Tonwerkzeuge, sei es Flöte oder Zither, wenn sie den Tönen nicht eine Unterscheidung geben, wie soll man das Geblasene, oder Gespielte erkennen? Und wenn die Posaune einen unbestimmten Schall gibt, wer wird sich zum Streite rüsten? Also auch ihr mit der Zunge! Wenn ihr nicht eine deutliche Rede hervorbringt, wie wird man erkennen, was gesagt wird? Ihr werdet in den Wind reden! ... Wenn ich nun die Bedeutung der Worte nicht kenne, so bin ich dem Sprechenden ein Fremdling, und der Sprechende ist mir ein Fremdling. Also trachtet auch ihr, weil ihr euch um die Geistesgaben beeifert, sie in Fülle zur Erbauung der Gemeinde zu haben ... Ich danke meinem Gott, dass ich alle Sprachen rede, die ihr sprechet; aber in der Kirche will ich lieber fünf Worte für mich (und andere) verständlich sprechen, um andere zu unterrichten, als zehntausend Worte in Sprachen ... »

Daraufhin antwortet man: «Die Kirche gestattet doch die Übersetzungen!»

«Worte, nichts als Worte», müssen wir mit Shakespeare ausrufen!

Es ist betrüblich, dass man Fragen von solcher Wichtigkeit nur mit Sprachkünsteleien und Spitz­findigkeiten beantwortet. Die Folgen sind aber für den Glauben des Volkes als tragisch zu be­zeichnen. Tatsächlich erlaubt man die Übersetzung aller Texte. Aber erforderlich wäre vor allem, dass Gottesdienste, Sakramentshandlungen, sowie die Lektüre des Breviers in einer vom Geistlichen wie vom Zuhörer ohne weiteres verständlichen Sprache erfolgten. Stellen wir uns vor, wie schwer es dem Glaubenden sein muss, während der Amtshandlung die Übersetzung dessen zu suchen, was der Priester in einer andern Sprache sagt. Es ist schwierig zu folgen, wenn z. B. der Priester schnell spricht oder die Beleuchtung ungenügend ist, wie dies für die meisten katholischen Kirchen zutrifft. Nicht zu reden von den Sehbehinderten, Müden oder denen, die infolge mangelnder Bildung nur mühsam lesen können.

Im weitern ist zu sagen, dass es sich nicht jedermann leisten kann, die genaue Übersetzung der ganzen katholischen Liturgie zu kaufen; dies trifft besonders für grosse Familien zu; denn der Preis der Missale und anderer kirchlicher Bücher ist recht hoch. Entstehen nun nicht gerade für die Handlung, welche die katholische Kirche als heilsnotwendig erklärt, besonders viele Schwierig­keiten?

Es ist noch zu bemerken, dass Jesus sich immer der Sprache bediente, die seine Zuhörer verstehen konnten. Seinen Aposteln gab er die Gabe der Sprache, damit jeder sie in seiner Sprache verstehen konnte. Welch ein Unterschied zwischen dem Handeln Jesu und dem­jenigen derer, die seine Kirche zu sein behaupten!

Vom eucharistischen Fasten

Jesus Christus hat mit seinen Jüngern die Eucharistie, d. h. das hl. Abendmahl gleich nach dem Abendessen gefeiert.

Will ein Katholik kommunizieren[8], muss er von Mitternacht an nüchtern sein. Wenn nun jemand aus Gesundheitsrücksichten eine kleine Pille schluckt, oder wenn einer aus Unachtsamkeit einige Tropfen Wasser zu sich nimmt, ist er nicht würdig, den Leib des Herrn zu empfangen. Wenn aber anderseits einer murrt oder ungeduldig ist, oder 500 Pesetas[9] gestohlen hat, kann er doch kommunizieren, denn die katholische Lehre erachtet dies als eine lässliche Sünde.

So ist nun nach der katholischen Kirche derjenige würdiger, den Leib des Herrn zu empfangen, der bewusst gesündigt hat, als derjenige, der nicht der geringsten Unvollkom­menheit beschuldigt werden muss.

Kann jemand wirklich glauben, dass Jesus dort nicht einziehen kann, wo zuvor etliche Tropfen Wasser oder eine kleine Pille eingenommen wurden? Hat der Herr nicht selber in Markus 7,15 gesagt: «Nichts, was von aussen in den Menschen hineinkommt, kann den Menschen verunreinigen; sondern was von dem Menschen herauskommt, das verunreinigt den Menschen.»

Man wird uns sagen, dass Rom gegebenenfalls vom eucharistischen Fasten befreien kann. Noch einmal ist zu sagen, dass wir es mit leeren Worten und einem heuchlerischen Trugschluss zu tun haben.

Wir fragen wiederum: wie kann ein Herzkranker bei einer vorübergehenden Herzschwäche zuerst von Rom die Bewilligung einholen, bevor er ein Mittel einnimmt, das ihm für einige Stunden Erleichterung verschafft? Wie kann derjenige sich an Rom wenden, der am Vorabend noch schwer gearbeitet hat oder wenig essen konnte und sich nun schwach fühlt, sich mit etlichen Biscuits oder einem Ei stärkt, um bis zur Stunde der heiligen Kommunion durchzuhalten? Müssen sie auf einen Dispens warten, den man aber Umstände halber nicht vor zwei Wochen in Händen haben kann? Und braucht es wirklich einen Dispens, um das zu tun, was unser Herr Jesus auch tat? Hat Jesus nicht gesagt: «Ich bin der Weg»? Er hat uns eingeladen durch ihn, die Türe, einzugehen, und niemand kann uns daran hindern. Das Evangelium erklärt uns sogar:

«Und als sie assen, nahm Jesus das Brot, segnete es, brach es, gab es ihnen, und sprach: Nehmet hin, das ist mein Leib» (Mark. 14,22).

Für Jesus war es bedeutungslos, dass dies Brot sich mit den andern Nahrungsmitteln des Ostermahles vermischte.

Aus welchem Grund aber sieht die katholische Kirche ein Hindernis? Ist sie etwa klüger oder gewissenhafter als unser Herr selber?

Die Beichte

Wenn jemand die katholische Kirche verlässt, so stellt sich für ihn die Frage, ob ihm ausserhalb derselben die Sünden vergeben werden können. Um die Sündenvergebung zu empfangen, hat die katholische Kirche die obligatorische Ohrenbeichte eingesetzt. Als Ausgangspunkt dieses Dogmas diente das Wort aus dem Johannes-Evangelium Kapitel 20, Vers 23: «Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen; und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten.» Wie in der Schlüsselübergabe, so stellt sich auch hier die Frage: «Wem hat Jesus diese Worte gesagt?» In der Frage der Schlüsselgewalt hat Jesus zu einem einzigen Apostel, Petrus, gesprochen, und die katholische Kirche, ohne irgendwelchen triftigen Grund, wendet dieses Wort auf viele Menschen an.

In diesem Fall nun, wurde die Verheissung denen gegeben, die mit den Aposteln versammelt waren. Lukas berichtet uns, dass die Emmausjünger die Elf und ihre Mitgenossen vorfanden (Lukas 24,33).

Johannes seinerseits schreibt uns wörtlich über das gleiche Geschehen: «Als es nun an demselben Tage ... am Abend war, und die Türen des Ortes, wo die Jünger sich versammelt hatten, aus Furcht vor den Juden verschlossen waren, kam Jesus, und stand in ihrer Mitte, und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er dieses gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Er sprach dann abermal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende auch ich euch. Da er dies gesagt hatte, hauchte er sie an, und sprach zu ihnen: Empfanget den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen; und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten» (Joh. 20,19-23). Wir müssen dabei feststellen, dass Jesus keinen Unterschied unter den Anwesenden vollzogen hat.

Folglich war dies nicht ein blosses Vorrecht, das nur den Aposteln gegeben wurde, um es auf ihre Nachfolger zu übertragen. «Ist es aber möglich», so fragen uns die Katholiken, «dass Jesus Christus allen seinen Jüngern die Vollmacht gab, Sünden zu vergeben, sogar denen, die nicht Apostel waren? » – Es ist sicher, dass die Übergabe eines solchen Vorrechtes in dem Sinne, wie es die katholische Kirche versteht, nicht annehmbar ist. Und es scheint nicht, dass die Apostel und Jünger diese Herrenworte auf diese Weise ausgelegt hätten.

Was sagen uns die vielen apostolischen Briefe, diese heiligen, von Gott eingegebenen Schriften über die Sündenvergebung? Sagen sie uns, dass die Apostel oder Herrenjünger oder andere berufene Amtsträger die heilige Beichte gehört und die Absolution erteilt haben, wie es die römische Kirche heute tut?

Im Neuen Testament finden wir nicht eine Stelle, die uns ermahnt, unsere Sünden einem Apostel oder Ältesten oder Bischof zu beichten. In der Apostelgeschichte finden wir kein einziges Beispiel einer solchen Beichte. Im Gegenteil, zu einem Sünder, wie Simon dem Magier, sagt Petrus: «Darum tu Busse über diese deine Bosheit, und bitte Gott, dass dir etwa dieser Anschlag deines Herzens vergeben werde» (Apg 8,22).

Er empfiehlt ihm nicht, recht tapfer zu beichten.

– Hat Petrus etwa in dem Augenblick vergessen, dass er die Vollmacht hat, Sünden zu vergeben?

Johannes schreibt uns dazu: «Meine Kindlein! Dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber jemand gesündigt hat, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum den Gerechten, und dieser ist die Versöhnung für unsere Sünden; doch nicht allein für die unsrigen, sondern auch für die der ganzen Welt» (1. Joh. 2,1-2). – Er sagt uns nicht: «Wenn jemand gesündigt hat, so soll er nicht verzweifeln. Er komme her zu uns, denn wir haben vom Herrn die Vollmacht empfangen, Sünden zu vergeben.» Dies sagt überhaupt kein Apostel.

Im Neuen Testament fehlt jegliche Andeutung über die Ohrenbeichte, und so werden wir unwillkürlich zur einzig möglichen Auslegung der Worte Jesu geführt.

Wenn die Apostel geglaubt hätten, sie allein könnten die Sünden vergeben, so hätten sie mit dem gleichen Eifer, wie heute die katholischen Priester, verkündet, dass die Gläubigen ihre Sünden ihnen, den Aposteln, oder den Gemeindeältesten beichten sollen. Da dies aber nicht der Fall ist, erkennen wir, dass sie die Worte Jesu nicht im gleichen Sinne auffassten, wie es die katholische Kirche heute tut. Selbst, wenn wir annehmen würden, dass die Herrenworte den Sinn besässen, den sie auf den ersten Blick hin erwecken, müssten wir doch feststellen, dass die Apostel und die andern Jünger dieses Vorrecht nie ausgenützt haben. Hätten die Apostel die Gläubigen in ihren Sünden lassen können, wenn sie die Vollmacht gehabt hätten, alle Sünden auszulöschen? Es wäre unbegreiflich, wenn der Herr Jesus das Heil der Menschen von einer, durch andere Menschen ausgesprochenen Sündenvergebung abhängig gemacht hätte, die von den Aposteln doch anders verstanden worden wäre.

Welchen Sinn haben denn die Herrenworte?

Ich möchte daran erinnern, dass diese Schrift weder eine theologische Abhandlung noch eine Apologetik sein will, wie ich es übrigens in der Einführung sagte. Darum kann hier auch keine vollständige Auslegung des Evangeliumwortes erfolgen, handelt es sich doch bloss darum, zu sagen, warum ich die Kirche Roms verlassen habe.

Trotzdem erlaube ich mir festzustellen, dass es nur eine Auslegungsmöglichkeit gibt, nämlich diejenige der Apostel und der Jünger, welche wir allein annehmen können. Die Apostel waren berufen, aller Welt die frohe Botschaft zu verkündigen, darum hat Jesus in Markus 16,1-16 gesagt: «Gehet hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium allen Geschöpfen! Wer da glaubt und sich taufen lässt, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.»

Um gerettet zu werden, müssen die Sünden vergeben sein, sonst ist man verdammt. Die Sünden derer, die glauben, werden vergeben; d. h. derer, die in Glauben und Busse das durch die Apostel verkündigte Wort Gottes aufnehmen.

Die Sünden aber können denen nicht vergeben werden, die, obwohl sie das Apostelwort hören, ihm keinen Glauben schenken und deshalb keine Busse tun. So wird der Apostel zum Mittel, durch welches die Menschen zum Glauben kommen, d. h. zum Heil und zur Sündenvergebung. Darum kann der Herr wahrhaftig sagen: «Die Sünden, die durch eure Verkündigung vergeben werden, sind tatsächlich vergeben, und die Sünden, die durch eure Predigt nicht vergeben werden, sollen behalten werden.» Einzig der Glaube an Christus, der durch das göttliche Wort gewirkt wird, kann die Vergebung der Sünden empfangen. Einen andern Weg gibt es nicht.

Das priesterliche Zölibat

Zahlreiche Argumente können wir dieser Kirchennorm entgegenstellen. Wir begnügen uns aber, die hauptsächlichsten von den Katholiken dargebrachten Argumente zurückzuweisen, die ja die schweren Verpflichtungen rechtfertigen sollen, die den römischen Priestern auferlegt sind.

Man sagt: «Die jungfräuliche Ehelosigkeit findet ihren Ursprung in der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Er errichtete in dieser Welt eine jungfräuliche Familie.»

Darauf müssen wir antworten, dass wir nicht vergessen dürfen, dass Jesus, als er die Kirche gründete, die er seine geistliche Familie nannte und die sie heute für uns ist, sich nun seinerseits nicht auf die Jungfräulichkeit gestützt hat. Im Gegenteil, er hat die zu Ecksteinen und Gliedern des Apostelkreises berufen, die verheiratete Männer waren.

Das Argument, das Priesterzölibat sei ein besonderes Vorrecht für einen Diener Gottes, wie dies von den katholischen Schriftstellern verherrlicht wird, hätte schon zu alten Zeiten eine Ehelosigkeit bei den Propheten, Patriarchen und Priestern des Alten Bundes voraussetzen sollen. Wir wissen indessen, dass dies nicht der Fall war.

Gott hat nirgends erklärt, dass ein Mann, der Gatte und Vater ist, für einen göttlichen Dienst ungeeignet sei! – Warum aber verlangt man heute das Zölibat als Haupt-Bedingung? Wir könnten hier ein philosophisches Argument anführen: «Wer zu viel beweisen will, beweist überhaupt nichts mehr.»

Man wendet vielleicht ein, dass das heutige Priestertum über demjenigen des Alten Testamentes stehe. Indessen erachten wir diesen Einwand als absurd. Wann hat Gott dies gesagt? Es ist sicher, dass das Amt eines evangelischen Predigers wichtig und heilig ist. Warum aber hat Jesus zu seinen Amtsträgern nicht ausschliesslich unverheiratete Männer erkoren, wie etwa Johannes? Betrachten wir aufs neue das als unrein und unwürdig, das Jesus niemals als solches bezeichnet hat?

Die Aufgabe der Propheten und Priester im Alten Bunde war eine heilige, und zu jener Zeit gab es keine heiligere und wünschenswertere als eben diese. Sie waren die Vertreter Gottes, die Ausleger des göttlichen Gesetzes, und sie brachten im Namen des Volkes dem Herrn die Opfer dar. Wie konnte nun der Herr für eine solch heilige Aufgabe nicht die gänzliche Enthaltsamkeit verlangen? Er verlangte tatsächlich von den Priestern, dass sie sich auf die Zeit einiger heiliger Handlungen aller fleischlichen Lüste und weltlichen Tätigkeit enthielten. Dies bedeutete aber nichts anderes als eine Unterbrechung ihres ehelichen Lebens, das jedoch von Gott angenommen und gesegnet wurde.

Wenn sich nun der Prediger des Evangeliums im innern Kampf befindet, um sündige Menschen vor Gott ringt, oder wenn er vom Herrn einen besondern Segen empfangen möchte, so ist es ihm empfohlen, auf etliche Zeit im Gebet zu beharren, vielleicht zu fasten und Busse zu tun und sich all dessen zu enthalten, das ihn von seiner heiligen Aufgabe abhalten oder schwächen könnte.

Daraus aber den Zwang zu einer völligen Enthaltsamkeit abzuleiten, kann aus der Heiligen Schrift nicht begründet werden. – Jesus sagt uns, dass nur diejenigen Enthaltsamkeit üben können, denen es gegeben ist. Somit haben wir kein Recht, denen etwas aufzuzwingen, denen es nicht gegeben ist. Es ist klar, dass dies nicht allen Priestern geschenkt ist, denn nicht alle verstehen es und vermögen es darum auch nicht auszuführen.

Dr. Rau schreibt in einem Bericht über dieses Thema in Übereinstimmung mit P. Monsabré: «Nach der Einheit des göttlichen Lebens folgt die Einheit des Engellebens. Nach dem Engelleben gibt es nichts einheitlicheres als das jungfräuliche Leben.»[10]

Es ist schade, dass man die Worte Jesu aus Matthäus 19,5-6 vergessen hat: «Um deswillen wird ein Mann Vater und Mutter verlassen, und seinem Weibe anhangen, und sie werden zwei in einem Fleische sein. So sind sie also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.»

Rau gibt in seinem soeben zitierten Werk zu, dass das jungfräuliche Leben eine Gnadengabe Gottes sei, «welche natürlicherweise unmöglich, aber mit Hilfe der Gnade Gottes jeden dazu befähigt und allen angeboten ist».

Wiederum stellen wir die Frage: Wie kann Gott allen etwas schenken, das nur den wenigsten gilt? Hat er nicht am Anfang der Welt gesagt: «Seid fruchtbar und mehret euch»?

Welch ein Leichtsinn und eine Oberflächlichkeit! Der hl. Augustinus, der grosse Lehrer der katho­lischen Kirche argumentiert: «In ihren Anfängen ist die Kirche jungfräulich, denn geistlich gesehen ist sie eine Jungfrau. Darum sollte der Priester seinerseits ebenfalls jungfräulich sein».

Welch eine Beweisführung! Kann eine Gesellschaft, d. h. eine moralische Gesamtheit, jungfräulich oder unenthaltsam sein?

Wenn wir auf die die Kirche bildenden Glieder zurückgreifen, so erkennen wir, dass, sie in ihren Anfängen nicht jungfräulich war. Etliche der Apostel, und Petrus an erster Stelle, der das Haupt der Kirche und der «1. Papst» war, waren verehelicht. Und im Lauf der ersten christlichen Jahrhunderte waren viele Verkündiger des Evangeliums verheiratet. Der Apostel Paulus seinerseits empfiehlt einen Bischof oder Ältesten zu wählen, der eines Weibes Mann sei (1. Tim. 3, 2).

Im l. Korintherbrief, Kapitel 7, sagt er deutlich, dass sich verheiraten eine gute Sache sei, obwohl sich nicht verheiraten noch besser sei. (Es handelt sich hier aber um einen persönlichen Rat, nicht um ein Herrenwort). Folglich haben wir es hier mit einem persönlichen Vorzug zu tun, oder wenn man will, mit einer mehr oder weniger grossen Vollkommenheit. Die Ehe ist aber auf keinen Fall ein Übel, gemäss Paulus nicht einmal für den Bischof!

Wenn die Ehe ein Sakrament ist, so ist nicht einzusehen, warum die Tatsache, eine eigene, recht­mässige Frau zu haben, für den Priester die schlimmste aller Sünden und ein Greuel vor dem Herrn sein sollte.

SCHLUSSWORT

Was in den vorhergehenden Kapiteln gesagt worden ist, hat dem Leser die Unbeständigkeit der katholischen Lehre gezeigt und ihm begreiflich gemacht, warum ich nicht mehr an sie glauben kann.

Sind nun aber dies die Gründe, die mich veranlassten, den Katholizismus zu verlassen, so muss ich noch erklären, was an seine Stelle getreten ist. Dies nun möchte ich am Schluss dieser Schrift noch beifügen. Wir haben eine unsterbliche Seele und seit unserer Geburt sind wir vor die schwerwiegende Entscheidung gestellt: Willst du ewiges Heil oder ewige Verdammnis? Darum genügt es nicht, dass wir eine Lehre verlassen, sondern wir müssen noch die Wahrheit annehmen.

Jeder, der sich darnach sehnt, ganz in der Wahrheit zu leben, muss den Katholizismus verlassen. Er hat aber noch einen zweiten Schritt zu tun, will er für die Ewigkeit gerettet sein, gemäss dem Jesuswort: «Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde!»

Diesen zweiten Schritt habe ich ebenfalls getan.

Die Katholiken sagen oft, dass diejenigen, welche die römisch-katholische Kirche verlassen, nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen. Ich brauchte dreizehn Jahre angestrengter Arbeit innerhalb des Katholizismus, um die Wahrheit zu entdecken, und als ich ihn verliess, wusste ich gleich, wohin mich wenden. Wohin? Zum Evangelium unseres  Herrn Jesus Christus. Wir lesen in Matthaus l,21: «Du sollst ihm den Namen Jesu geben; denn er wird sein Volk erlösen von seinen Sünden.» Und in Apostelgeschichte 4,12 steht geschrieben: «Und es ist in keinem andern Heil; denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, wodurch wir selig werden sollen.» An einer andern Stelle berichtet Lukas von einem Pharisäer, der Jesus kritisierte, weil er Magdalena gewähren liess, als sie ihm die Füsse salbte. Sie war eine öffentliche Sünderin, der Pharisäer aber ein tief religiöser Mensch. Doch er wurde bei dieser Gelegenheit von Jesus nicht gerecht gesprochen. Die Sünderin aber hörte die Worte Jesu:  «Deine Sünden sind dir vergeben» (Lukas 7,48). Da Jesus aber das Erstaunen seiner Tischgenossen wahrnahm, nannte er Magdalena nun auch den Grund der Rechtfertigung:

«Dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden.» Seit meiner Kindheit hat man mich in der katholischen Religion unterrichtet und mir gesagt, dass wir durch die Werke entweder gerettet oder verdammt werden, unser Heil von unsern Anstrengungen abhängig ist, die frommen Taten unbedingt notwendig sind: Marienverehrung ist ein sicheres Pfand ewigen Heils, die Heiligenverehrung, die Amulette, die Gebete für die Verstorbenen, bezahlte Messen, päpstliche Segnungen und der Ablass sind Bedingungen zum ewigen Heil. Dies alles aber hat mich erschreckt und beunruhigt.

Ich griff zur Heiligen Schrift und hörte Jesus zu einem der grössten Sünder sagen: «Deine Sünden sind dir vergeben.» Da musste ich ausrufen: «Dieser Räuber war nicht getauft und trotzdem verhiess ihm Jesus: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.» Und abermals erkannte ich, dass die grosse Sünderin keine Beichte abgelegt hatte, und trotzdem sagte Jesus zu ihr: «Deine Sünden sind dir vergeben.»

Doch ich bestand darauf: sie hat die Mutter Maria nicht angerufen, das Heil von ihr nicht erwartet. Demgegenüber bestätigt Jesus: «Wer an mich glaubt, wird nicht sterben.» «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, ausser durch mich» (Joh. 14,6).

Da las ich, was der Apostel sagt: «Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.»

«Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat; und dieses Leben ist in seinem Sohne. Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn nicht hat, der hat das Leben nicht» (1. Joh. 5,11-12).

Nach den guten Werken aber fragte ich ebenfalls. Steht im Evangelium noch etwas von den guten Werken, die der Schächer am Krenz vollbracht hat? Welche guten Werke hat der verlorene Sohn getan, damit ihn sein Vater wieder aufnehme?

«Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen nämlich, die an seinen Namen glauben, welche nicht aus dem Geblüte, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnet; und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit als den Eingebornen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit» (Joh. 1,12-14). Die 23 Jahre des Studiums der katholischen Lehre hatten in mir tiefe Spuren hinterlassen, und der beängstigende Zweifel, der von Jugend an da war, verminderte sich, schwand aber nicht.

Die Werke! Die Notwendigkeit der Werke? Die gnadenreiche Wirkung der Werke, die uns durch das heilige Gesetz befohlen sind?

Dies alles quälte mich sehr.

Ich habe meine Familie, und alles, was ich in dieser Welt besass, verlassen. Durch mein Ordens­gelübde, das Armut, Keuschheit und Gehorsam einschliesst, hatte ich auf alles verzichtet. Ich kasteite mich, ich betete oft stundenlang; ich verkündigte die christliche Lehre nach der strengsten katholischen Orthodoxie. Getreu hielt ich die, Regeln meines Ordens. Genügt dies alles nicht zu meiner Rechtfertigung? Kann ich so dem Tod und Gericht ruhig ins Auge, blicken?

Aufs neue öffnete ich die heilige Schrift und entdeckte, dass Paulus auf meine quälenden Fragen antwortete in Philipper 3,4-10: «Wenn irgend ein anderer meint, auf Fleisch (Werkgerechtigkeit) vertrauen zu können, ich kann es mehr: ich bin beschnitten am achten Tage, bin vom Geschlechte Israel, aus dem Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, dem Gesetze nach ein Pharisäer, dem Eifer nach ein Verfolger der Kirche Gottes, und der Gerechtigkeit nach, die im Gesetze ist, wandelte ich ohne Tadel. Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden gehalten. Ja, ich halte auch alles für Schaden wegen der alles übertref­fenden Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn, um dessen willen ich auf alles ver­zichtet habe, und es für Kot erachte, damit ich Christum gewinne, und in ihm erfunden werde, nicht mit meiner Gerechtigkeit, die aus dem Gesetze ist, sondern mit jener, die aus dem Glauben Jesu Christi ist, mit der Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben, so dass ich ihn erkenne, und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich ihm ähnlich werde im Tode ... »

Ich war innerlich sehr bewegt, doch durchflutete mich ein helles Licht und der Geist des Friedens durchdrang meine Seele. Aber ich wollte noch mehr Klarheit und fand sie in Galater 2, 21: «Wenn durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.» Und es schien mir, als hörte ich Paulus, sich an mich wendend, mir sagen, was er einst den Galatern vorhalten musste: «O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, der Wahrheit nicht zu gehorchen? euch, denen Jesus Christus vor Augen gestellt worden, als wäre er unter euch gekreuziget? Dieses nur will ich von euch wissen: Habt ihr den Geist durch die Werke des Gesetzes empfangen, oder durch Annahme des Glaubens? Christus hat uns erlöset von dem Fluche des Gesetzes» Gal. 3,1.2.13).

So fuhr ich denn fragend fort: «Die äusserlichen Werke, die uns durch das Gesetz geboten sind: genügen sie oder sind sie nutzlos?»

«Bevor nämlich der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetze verwahrt, verschlossen auf jenen Glauben hin, der geoffenbart werden sollte; das Gesetz war deshalb unser Zuchtmeister in Christo, damit wir durch den Glauben gerechtfertigt würden. Da aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister. Denn ihr alle seid Kinder Gottes durch den Glauben, der in Christo Jesu ist» (Gal. 3,23-26). Die guten Werke sind Gott angenehm. Wir sollen sie als Zeichen unserer Dankbarkeit Gott gegenüber verrichten und um ihm ähnlich zu werden. Aber sie tragen nicht zu unserer Rechtfertigung bei. Einzig das Werk und Verdienst Jesu Christi rechtfertigen uns mit ihrem unendlichen Wert.

So blieb mir nichts anderes übrig, als Jesus Christus als meinen Heiland anzunehmen und an die erlösende Wirksamkeit seines Kreuzes zu glauben. – Meine Sünden sind mir vergeben. Die Schuld, die mich vor Gott verklagte, ist nicht mehr! Der Glaube an Christus, den Retter, konnte allein meine Seele rechtfertigen. Ich nahm dies an, ich glaubte. Und von dem Augenblick an wusste ich, dass Jesus in mir seine Verheissung erfüllt hat: «Wer an MICH glaubt, aus dessen Leibe werden, wie die Schrift sagt, Ströme des lebendigen Wassers fliessen» (Joh. 7,38).

Anhang

ABSCHIEDSREDE VON LUIS PADROSA

Wir freuen uns, hier noch die Abschiedsrede von Padrosa wiedergeben zu können, die er am 18. Februar 1951, kurz vor seiner Abreise nach Argentinien, in der evangelischen Gemeinde zu Tarrasa hielt und in der er seinem evangelischen Glauben Ausdruck gab. Diese Botschaft wurde stenographiert von einem, der das Vorrecht hatte, dieser eindrucksvollen Versammlung beizuwohnen.

Meine lieben Brüder in dem Herrn!

Unser Pfarrer Vila hat euch soeben gesagt, dass ich ein Redner sei. Das ist wahr, denn während zehn Jahren habe ich gepredigt und zumeist öffentlich in grossen Versammlungen und in geschlossenem Kreis gesprochen. Niemals war ich dabei im geringsten aufgeregt. Heute indessen habe ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, ich könne nicht reden ... Nein, ich kann es nicht, denn für mich ist es der bewegendste Augenblick in meinem Leben. So bitte ich euch, keine grosse Rede zu erwarten.

Ich bin hieher gekommen, um euch zu sagen, dass ich künftighin euer Bruder sein werde, nachdem ich die gleiche Erfahrung gemacht habe wie Paulus. Ich habe euch verfolgt. Vielleicht seid ihr dessen nicht bewusst geworden ... Ich muss euch aber gestehen, dass ich euch mit aufrichtigem Herzen und grossem Eifer verfolgt habe. Im Loyola-Institut organisierte ich Besinnungswochen mit den Leitern der «Katholischen Aktion», d.h. mit etlichen Grossindustriellen und mit einigen unserer eifrigsten Propagandachefs. Viel Zeit verbrachte ich mit dem Studium und hielt daneben Vorträge über die Protestantische Ketzerei, unter anderem auch über diejenige in Tarrasa. Der Titel eines dieser Vorträge lautete: «Tarrasa, Sitz der Ketzerei!» – Denn ihr müsst wissen, dass für die Katholiken Pfarrer Vila ein gefährlicher Mann ist. Ich begab mich nach Villafranca, um dort zu predigen. Daselbst sagte man mir, es bestünden Schwierigkeiten. «Was ist es denn?» fragte ich.

«Seit einiger Zeit haben die Protestanten hier eine Kapelle eröffnet. Soll die Jugend der Katholischen Aktion sie mit Steinen bewerfen und zerstören? »

«Nein, wartet noch ein wenig, denn dies wäre nicht gerade christlich.»

Beim Gedanken aber, dass sich die Protestanten dort niedergelassen hatten, war ich erzürnt. Ich fragte, woher sie gekommen seien und erhielt die Antwort: «Von Tarrasa».

In Tarragona horte ich die gleichen Klagen. «Woher sind sie gekommen? »

«Von Tarrasa!»

In Villanueva das gleiche: «Tarrasa!»

Daraufhin versprach ich, diesem Treiben ein Ende zu setzen, und versicherte ihnen, dass sogar in Tarrasa der Protestantismus zusammenbrechen werde. Denn es musste um jeden Preis Lüge und Irrtum ausgerottet werden.

Dann sagte ich zu etlichen meiner Zuhörer: «Schämt ihr euch nicht, euch in Tarrasa, dem Hauptsitz der Protestanten gegenüber zu befinden, ohne diese ausrotten zu können? »

Obwohl niemand grossen Wert darauf legte, entschloss ich mich, den Protestantismus gründlich zu erforschen. Kurz nach diesem Entschluss erhielt ich den Besuch von Herrn X., der mir sagte: «Alle meine Millionen stehen Ihnen zur Verfügung, um dem Protestantismus ein Ende zu setzen.» Andere Menschen versprachen mir ihre Mitarbeit. Ich bat sie, mir eine Liste aller Protestanten von Tarrasa zusammenzustellen. Zwei Tage später besass ich Namen und Adressen aller Protestanten der Ortschaft. Während ich nun mit aufrichtigem Sinn ihre Lehre studierte, bereiteten wir die Kampagne vor.

Ich öffnete die Heiligen Schriften und erforschte sie ... Wo war die Unfehlbarkeit des Papstes? Unmöglich, sie zu finden. Das eucharistische Fasten? die Messe? Ebenfalls nicht zu finden! Je mehr ich forschte, desto mehr kam ich zu der Überzeugung, dass Christentum etwas ganz anderes ist als Katholizismus.

Diese Überzeugung wuchs immer mehr ...   bis zu dem Tage, da ... ihr denkt es sei ein Tag nur! – nein, in Wirklichkeit waren es 13 Jahre des Kampfes, eines harten Kampfes! Aber ich muss sagen, dass ich dabei viel Freude empfand, denn ich liebe die Schwierigkeiten. Die widersprechenden, hartnäckigen Zuhörer waren mir immer die liebsten. Zudem war ich meines Sieges gewiss!

«Ja, aber wer bist du?», musste der Herr mir sagen, als er mir vom Himmel her zusah: «Wer bist du, um dich wider den Stachel zu sträuben?»

Ich war aufrichtig und suchte ehrlich die Wahrheit. Aber glaubt mir, für einen Katholiken ist es sehr schwer, wenn nicht geradezu unmöglich, die Wahrheit zu erkennen. Warum? Wo findet man die Wahrheit? – Ihr sagt, in der Heiligen Schrift, die Gottes Wort ist. Uns aber wird gesagt: «Ihr dürft diese Heilige Schrift nicht lesen, sie besitze denn die Erklärungen des Übersetzers, z. B. des Pater Bover, des Pater Scio oder des Nacar Colunga; die sagen euch etwa folgendes: «Paulus schreibt dies oder jenes, aber ihr müsst es so verstehn, wie ich es in meinen Erklärungen auslege.»

«Aber kann ich denn nicht lesen, was Paulus, Petrus oder der Herr selbst gesagt haben?» – «Nein, denn es sind verbotene Schriften.» – «Wie? die Evangelien des Herrn und die Schriften der Apostel gehören zu den verbotenen Büchern? » – «Gewiss, und niemand hat das Recht sie zu lesen, wenn sie nicht von einem Menschen erklärt sind.» Anders gesagt: Wir müssen Menschenworten gehorchen, nicht dem Worte Gottes!

So entspann sich in mir ein titanischer Kampf. Ich suchte die Wahrheit und befand mich immer wieder einem Menschen gegenüber, der mir den direkten Zugang zu Gott verbot, als eine Ketzerei, und mir hingegen sagte, ich müsse mich Menschensatzungen unterstellen, um zu Gott zu kommen. Warum konnte ich nicht ohne Umweg zu Jesus Christus kommen?

Endlich begriff ich, dass in der katholischen Verkündigung – wie übrigens im ganzen katholischen Leben – Jesus dargestellt wird als eine Fossilie, ein Kadaver, ein Mann, der ans Kreuz genagelt wurde und gestorben ist ... Auf diese Weise verhindert die katholische Kirche die Liebe zu Jesus. Aber ohne diese Liebe gibt es keine Heilsmöglichkeit trotz allen Messen, Skapulier[11] (10) und Heiligenbildern. All dies hat keinen Wert, wenn nicht wahrer Glaube und echte Liebe vorhanden sind. Aber der Mensch empfindet solche Liebe nicht, es sei denn, er sehe den auferstandenen Christus, der für ihn zuvor den Tod erlitt.

Wisst ihr, was einem römischen Katholiken widerfährt? Etwas, das innerhalb der römischen Auffassung selbstverständlich ist, das letztendlich aber sehr traurig ist. Man sagt euch etwa folgendes: Jesus Christus ist für euch gestorben; doch hat dies keine eigentliche Bedeutung, denn ihr seid verloren, wenn ihr nicht sehr achtgebt; ihr schafft euch euer Heil selbst: durch eure Gebete, durch das Tragen des Skapuliers, durch eure Marienverehrung (diese ist ein sicheres Heilszeichen), durch euer Kommunizieren an jedem ersten Freitag des Monates, und zwar während 9 Monaten ... nicht nur während 7 oder 8! ... Nein, 9 Monate müssen es sein, sonst ist alles vergeblich ...  Auch müsst ihr Petrus von Herzen verehren, sowie den Heiligen Antonius. Nicht vergessen dürft ihr die 13 Vaterunser, die an letzteren zu richten sind; wenn ihr nur 12 hersagt, so nützt es nichts! So könnte man weiterfahren ...  Erinnert uns dies nicht an die Worte, die Jesus an die Pharisäer richtete: «…die ihr eine Mücke durchseihet, aber ein Kamel verschlinget  ... die ihr übertünchten Gräbern gleichet» (Matth. 23,24-28)?

Aber es ist der Priester, der dies verordnet, und seine Würde steht über allem. Folgende Wand haben wir vor dem Volk aufgerichtet: Unsere heilige Mutter, die Kirche, und der Priester! Wo aber ist Christus? Dahinter ...  Hinter wem? Hinter der Kirche und dem Priester. Man muss zur Kirche und zum Priester gehen. Und hier wird der römische Katholik aufgehalten; selbstverständlich bleibt dann sein inneres Leben schwach und kraftlos.

All dies hat mich zur Überzeugung gebracht, dass die römisch-katholische Lehre nicht die wahre ist!

Zu jener Zeit las ich die Messe mit einem Chorknaben, der in lateinischer Sprache antworten musste, ohne etwas davon zu verstehen. Das arme Kind stotterte bei jedem Wort. Wenn es in der spanischen Sprache hätte antworten können, dann hätte es auch den Sinn der Worte erfasst und wäre der Handlung mit Andacht und innerem Gewinn gefolgt. Nein! was tat es schon, dass es alles wie eine Maschine hersagen musste?

Ich dachte bei mir: nun wird die Heilige Messe zelebriert, die Opferung des Leibes Jesu darstellend; hinter mir sind die Gläubigen, sehen des Priesters Rücken, sehen wie er etliche Bewegungen verrichtet und unverständliche Worte sagt; die einen schlafen ein, die andern gähnen: Heisst das Leben? Hat Gott solches verordnet?

Dies alles belustigt euch, so wie alles, was ihr tut, die Katholiken belustigt. Und sie behaupten, es sei Ketzerei, seinen Glauben allein auf Jesus Christus zu gründen. Es ist sehr schwer, die Konfession zu wechseln, denn ihr steht im Widerspruch zu der Tradition eures ganzen Lebens, mit der vertrauten Atmosphäre, mit den Verwandten und den Freunden. Die alle sagen euch: Entweder seid ihr verrückt oder in eine Frau vernarrt. Der Katholik kennt kein anderes Urteil für den, der den Katholizismus verlässt, um den evangelischen Glauben anzunehmen.

Vor kurzer Zeit vernahmen wir vom Austritt des hochgeachteten Jesuiten Carrillo de Albornoz aus der katholischen Kirche. Er war Generalsekretär der universalen Marienkongregation. Sofort sagten einige:

«Armer Mann, er ist verrückt geworden!» andere wieder: «Da ist eine Frau im Spiel.» Andere Argumente konnten sie nicht vorbringen.

Ich kann euch aber sagen, dass ich diese Fragen während 13 Jahren studiert habe. Hinter mir liegen 43 Jahre intensiven katholischen Lebens; davon verbrachte ich 15 Jahre in ernstem Studium und 10 Jahre im Predigtdienst. Ich bin nicht durch eine Leidenschaft geblendet. Ich weiss, dass ein Priester, von der Leidenschaft besessen, jegliche Sünde begehen kann, sei es Hurerei, Mord oder Diebstahl. Aber nachher besinnt er sich, tut Busse, beichtet sein Vergehen und macht wieder weiter. Der Übertritt zu einer andern Religion hingegen wird nicht von der Leidenschaft bestimmt, vielmehr von der Überlegung. Beim Erforschen der Heiligen Schrift findet man die grossen Gegensätze der beiden Lehren.

Wo finden wir beispielsweise in der Apostelgeschichte die Lehre von der Beichte? In der Kirche wird überall verkündet, man müsse beichten. Indessen sagte Jesus zu der grossen Sünderin, die zu seinen Füssen weinte: «Deine Sünden sind dir vergeben.» Wann hatte sie gebeichtet? Und Sünden hatte sie doch! Als er sah, wie die Tischgenossen an seinem Wort zweifelten, sagte er ihnen, dass ihr Glaube – nicht ihre Reue oder ihre Demut sie gerettet habe. Wo wird im geringsten Bezug genommen auf eine fromme Tat oder auf einen Tempelbesuch?

Und der Schächer am Kreuz, hat er etwa eine fromme Tat vollbracht? Er hat an Jesus Christus, den Erlöser geglaubt, nichts anderes. Sicher, wäre er von Jesus vom leiblichen Tod erlöst worden, so hätte er forthin als ein Christenmensch wandeln müssen; aber zu seiner Rechtfertigung trug dies nichts bei. Jesus vergoss sein Blut für ihn; der Schächer glaubte an diese Erlösung, tat Busse und wurde offensichtlich von Gott gerecht gesprochen, denn Jesus konnte zu ihm sagen: «Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.» Nicht im Fegfeuer ! Gibt es überhaupt ein Fegfeuer und wo befindet es sich? Zu wieviel Jahren Fegfeuer wurde der Schächer verurteilt? Hinter ihm lag ein Schelmen­leben; vielleicht hatte er auch getötet. Jesus aber sagt zu ihm: «Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.» So musste er nicht ins katholische Fegfeuer! Überhaupt, wer spricht vom Fegfeuer? Auf alle Fälle nicht das Wort Gottes! Es fragt uns, ob wir glauben. Wenn ja, so genügt das zur Recht­fertigung.

Ich fragte mich: Wenn ich die katholische Kirche verlasse, wer wird mir dann meine Sünden vergeben? Selbstverständlich wollte ich versuchen, nicht zu sündigen. Doch, wir Menschen sind so schwach! In der katholischen Kirche ist alles gut geordnet: kaum hat man gesündigt, kann man zum Priester gehen. «Ego te absolvo a peccatis tuis»[12] und alles ist vorbei! Man kann wieder kommunizieren ... Was werde ich tun, wenn ich die katholische Kirche verlassen habe?

Aber in der Apostelgeschichte wie im ganzen übrigen Neuen Testament steht klar geschrieben, dass wir nur von Gott die Sündenvergebung empfangen können. Wenn ihr die Nöte kennen würdet, die einen Katholiken drücken, ihr würdet allezeit Gott danken für das, was ihr seid und besitzt. Die Leute, die jeden Tag in die Messe gehen, leben in einer steten Angst, denn sie müssen sich immer wieder fragen: Bin ich gerettet oder gehe ich verloren? Habe ich recht gebeichtet? Habe ich auch alles richtig gesagt? Hat mich der Priester recht verstanden? Obwohl die Sache delikat war, hätte ich sie nicht doch deutlicher sagen sollen? Sie haben keinen Frieden! Ist dies nun die wahre Religion? Wo finden wir in den Evangelien diese Methode, Seelen zu quälen? Haben Jesus und die Apostel die Sünder mit Fragen gequält?

Mein Sohn, tust du Busse? Glaubst du in deinem Herzen, dass Jesus, unser Herr, dich erkauft hat? Wenn ja: Dein Glaube hat dich gerettet! Das genügt. Paulus schreibt ja: «Wenn durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben» (Gal. 2, 21).

Die Liebe zu Jesus, die ihr als evangelische Christen in eurem Herzen tragt und die der Katholik nicht im gleichen Masse besitzt, entsteht aus der frohen Gewissheit, dass Jesus eÜr Retter ist. Der Katholik versucht sich selber zu retten durch das, was er tut oder lässt.

Wohlverstanden, wenn ein evangelischer Christ sagen würde: «Ich kann nun ein liederliches Leben führen, weil Jesus mich gerettet hat», so würde er nicht erlöst. Aber ich bin sicher, dass ihr es recht versteht ...Vorgestern besuchte mich ein Jesuit, der mein erster Ordenslehrer war. Da er meinen Entschluss kannte, sagte er mir, er halte sich an die Erklärung von Balmes: «Wer den Katholizismus verlässt, weiss nicht wohin sich wenden.» Und er fügte bei: «Ein Beweis, dass der Katholizismus die Wahrheit ist, alles andere aber nur Sektiererei, finden wir in der Tatsache, dass der eine dies, der andere jenes sagt, und man nicht weiss, wohin sich wenden.»

«Aber», entgegnete ich ihm, «um die Wahrheit zu entdecken und um festzustellen, dass sie sich nicht in der katholischen Kirche befindet, brauchte ich dreizehn Jahre; einen Zufluchtsort jedoch fand ich unverzüglich, nämlich im Evangelium unseres Herrn Jesus Christus. Einen anderen Ort gibt es nicht.»

«Ja, aber werden Sie Lutheraner, Calvinist oder Methodist sein?»

«Ich will ein Christ sein.»

«Was aber nachher? »

«Oh, was den Anschluss an eine Gruppe betrifft, sehen wir später ... Im Augenblick ist es für mich entscheidend, ein Christ zu sein gemäss der Lehre Jesu und der Apostel, ihren Weisungen völlig zu gehorchen, mich damit zu erbauen und durch Wort und Beispiel zu zeugen. Wo? In der Kirche, die dem am ehesten entspricht; aber die Frage der Kirchenzugehörigkeit ist ja nicht die Hauptsache. Auf alle Fälle werde ich immer ein Christ sein, der seinem Herrn und Heiland angehört. Das Evangelium und das Wort Gottes sind so klar, dass man sie ohne Vermittler verstehen kann.»

Vergebt mir, meine Brüder, dass ich euch verfolgt habe ... Ich glaube jedoch nicht, euch grossen Schaden zugefügt zu haben ... denn als ich ernstlich anfing das evangelische Christentum zu studieren und zu bekämpfen, als ich euch den Krieg erklärte, da erklärte ihn Gott mir! ... Natürlich war er es, der den Sieg davon trug. Ich bin aber glücklich über meine Niederlage, denn sie ist eigentlich gar keine. Das meint auch Paulus, wenn er schreibt: «Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden gehalten.»

Niemals kann ich dem Herrn genug danken, dass er mich die Wahrheit erkennen liess ... Amen.

IN EIGENER SACHE

In Anbetracht der zahlreichen Verleumdungen, die anlässlich meiner Abwendung von der römisch-katholischen Religion verbreitet wurden, haben mich wahre Freunde, echte Christen gebeten, ich möchte meinem Buch diesen Anhang beifügen: «In eigener Sache». Darin möge ich die schamlosen Verleumdungen widerlegen, die auf so grobe Weise meine Ehre beschmutzen, welche bis zu meiner Bekehrung zum Evangelium niemand angetastet hat.

Es schien mir bisher wenig christlich, Zeit und Kraft zur Verteidigung der eigenen Ehre zu verwenden. In meinem Falle aber geht es um den Ruf der evangelischen Sache; deswegen bin ich denen Rechenschaft schuldig, die guten Willens sind und klare Auskunft über den Fall zu erhalten wünschen.

Ich muss bemerken, dass ich diesen Anhang mit etwelchem Unbehagen und tiefer Skepsis schreibe. Der durch Verleumdung verursachte Schaden lässt sich nicht wieder gutmachen, und diejenigen, welche sich bemühen eine Sache in Verruf zu bringen, lassen sich auch durch klare Beweise nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Ich habe eine Reihe von Zeitungsartikeln erhalten, in denen ich als «Judas», «Verbrecher», «Wollüstling», «Betrüger» hingestellt werde und worin behauptet wird, ich wirke in diesen Rollen als gemeiner Possenspieler. Spricht Jesus in solcher Weise selbst mit den grössten Sündern? Hat er uns geheissen, so mit ihnen zu verfahren? Judas nennt er «Freund» und gibt ihm den Friedenskuss. Das verlorene Schaf sucht er und scheut keine Mühe, bis er es liebevoll auf seinen göttlichen Schultern zum Schafstall des guten Hirten zurücktragen kann.

Doch in unsern Tagen wird einer, der die Wahrheit des Evangeliums sucht und sie um jeden Preis in die Tat umsetzen will, erbarmungslos beschimpft.

«Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet», sagt Jesus. Man hat die Meinung verbreitet, dass ich schon seit längerer Zeit ein schlechtes Leben geführt habe, so dass die Leiter der Gesellschaft Jesu meinen Ausschluss aus dem Orden vorbereitet hätten. Als, dieser unvermeidlich gewesen sei, hätte ich die Flucht ergriffen und die heiligsten Pflichten meines religiösen Standes gebrochen.

Wie grundfalsch diese Anklage ist, wird ersichtlich aus dem Brief, den ich meinem Ordens-Provinzial sandte, und den ich nun im Folgenden wiedergebe. Ich möchte ebenso ausführlich seine Antwort veröffentlichen können; doch hält mich einzig der Umstand davon ab, dass mir diese Antwort vertraulich geschrieben wurde und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Deshalb ist Diskretion geboten.

Barcelona, den 31. Januar 1951

An den hochwürdigen Pater Provinzial. In Christus geliebter Pater,

Zutiefst bedaure ich, Ihnen grossen Kummer bereiten zu müssen, denn Sie haben nichts anderes als meine aufrichtige Zuneigung und tiefe Dankbarkeit verdient. Doch kann man in gewissen Umständen zu etwas gezwungen sein, das man lieber unterliesse. Dies ist mein Fall.

Mein Entschluss steht fest, die Gesellschaft Jesu so bald als möglich zu verlassen. Schon während meiner theologischen Studien wurde ich durch den katholischen Glauben enttäuscht. Die Beweise konnten mich nicht überzeugen. Die Professoren mochten glauben, es fehle mir an Begabung oder theologischem Interesse. In Wirklichkeit geriet ich von einer Enttäuschung in die andere. Unsere Argumente sind voller Trugschlüsse, und das katholische Dogma ist vom Evangelium Christi weit entfernt. Mit wahrer Leidenschaft für die Wahrheit habe ich viel studiert und gelesen. Und je weiter ich vordringe, desto weiter entfernt sehe ich den Katholizismus vom christlichen Glauben. Ich habe viel diskutiert mit solchen, welche die katholische Theologie von Grund auf zu kennen vermeinen; es gelang ihnen aber nicht, mich zu überzeugen. Vielmehr haben sie mich je länger desto mehr von unsern dogmatischen Behauptungen abgebracht. Darum ist es unnütz, weiter zu diskutieren. Was Thesen, katholische Bücher und Professoren in dreizehn Jahren nicht erreicht haben, wird andern nicht in wenigen Monaten gelingen. Die Argumente, die sie vorbringen, kenne ich ja so gut wie sie. Dies wäre blosser Zeitverlust. Ich muss mit meinem Gewissen vor Gott aufrichtig sein, ich kann nicht weiterhin Komödie spielen, indem ich andern predige, was ich selber weder glaube noch empfinde.

Die Woche der Unbefleckten Empfängnis war für mich entscheidend. Ich befolgte die «Exerzitien» und widmete diese Zeit mit aller Inbrunst der Lösung meiner Fragen. Ich empfand einen Frieden, eine Freudigkeit und eine innere Klarheit wie nie zuvor. Ich will nun das Evangelium in seiner Reinheit befolgen, so wie es uns von den Aposteln gegeben wurde, ohne jedes spätere Beiwerk. Ich sehe ein, dass die katholische Kirche weit entfernt ist vom Worte Gottes. «Die heilige Mutter Kirche» wird in den Vordergrund gerückt und nimmt den Platz ein, welcher ausschliesslich der Heiligen Schrift zukommt; das «römische Priestertum» belegt den Ehrenplatz, der allein Jesus Christus gehört.

Die Frucht der diesjährigen «Exerzitien» war eine Bestärkung in der Wahrheit Jesu Christi und mein fester Entschluss, mich von der katholischen Religion abzuwenden. Da meine Vorträge vor grossen Hörerscharen in ganz Spanien etliches Aufsehen erregt haben, könnte es Streit und Unruhe entfachen, wenn ich jetzt als Prediger des Evangeliums auftreten würde. So glaube ich, es sei am besten, wenn ich mich aus Spanien entferne; aus dem Ausland wird zu gegebener Zeit die Nachricht meines Austritts aus der Gesellschaft Jesu eintreffen. Wenn ich nun sagen dürfte, Sie erlaubten mir eine Studienreise nach Südamerika, so würde manches Unangenehme vermieden. Glauben Sie nicht, lieber P. Provinzial, es sei eine Frau im Spiel. Wäre dies der Fall, würde ich es Ihnen freimütig sagen. Weder eine Frage der Keuschheit, noch eine momentane Erregung treiben mich zu meinem Schritt. Wenn es die Unsrigen erfahren, werden sie wie bei P. Carrillo de Albornoz behaupten, ich sei verrückt geworden; andere werden sagen, ich hätte mich in irgendeine Frau verliebt; wieder andere, meine geringe theologische Kenntnis hätte den protestantischen Angriffen nicht standhalten können. Es wird auch nicht an solchen fehlen – dies bedaure ich am meisten –, welche Ihnen die Schuld zuschieben, schadenfroh sagend, Sie hätten mir zuviel Freiheit gelassen und mir ein allzugrosses Vertrauen erwiesen. Ich weiss ebenfalls, dass Sie sich beim Lesen dieses Briefes sofort überlegen werden, wie Sie mich von meinem Vorhaben abbringen können. Ich muss Ihnen sagen, dass alle Überzeugungsversuche vollständig vergeblich sind. Ausserdem muss ich in Rücksicht auf mein Herzleiden jede starke Gemütsbewegung vermeiden. Ein Zusammentreffen mit Ihnen oder dem P. Superior würde mich jedoch allzu sehr ergreifen. Deshalb werde ich nicht mehr zur Residenz kommen.

Weil ich öfters auswärts weile, wird zunächst niemand etwas merken. Die Sachen in meinem Zimmer, Bücher, Notizen, usw., wolle man bitte in meinem Koffer zum Loyola-Institut in Barcelona schicken; ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar, da mir diese Sachen wertvoll sein können. Will man dies nicht tun, so mag alles zurückbleiben.

Was nun das Loyola-Institut betrifft, wird Ihnen in wenigen Tagen eine Abschrift der Statuten zukommen, damit Sie einen stellvertretenden Leiter ernennen können, sofern Sie damit einverstanden sind. Die Gesellschaft hat hier keine Verpflichtungen übernommen. Wenn Sie innerhalb eines Monats nichts verfügt haben, wird das Patronat einen andern Direktor wählen oder das Institut auflösen.

Dieser Brief möge auch als Demission gelten, denn ich werde nicht mehr kommen, um meine Unterschrift zu geben, es sei denn, Sie wünschten, dass ich in Amerika unterschreibe. Von diesem Augenblick an verlasse ich innerlich die Gesellschaft Jesu und die katholische Kirche. Nach aussen hin, d. h. wenn Sie mir dazu die Erlaubnis erteilen, bleibe ich Jesuit, bis meine Abreise geordnet ist.

Der Überbringer dieses Briefes erwartet, dass sie ihm schriftlich kurz Antwort geben ob Ja oder Nein. Er weiss nicht, um was es sich handelt. Sagen Sie Ja, werde ich so rasch wie möglich Spanien verlassen, als wäre es aus Gehorsam, sodass niemand meinen Wechsel vermuten kann. Sagen Sie aber Nein, oder schieben Sie die Antwort hinaus, was ich ebenfalls als ein Nein auffasse, dann werde ich die Wahrheit bekanntgeben müssen. Würden mir die Ordensoberen Hindernisse in den Weg legen, um mir die Abreise zu verunmöglichen, dann müsste ich unter den Bekannten in Spanien als Evangelischer wirken, was die oben erwähnten Unannehmlichkeiten hervorrufen würde. Ich glaube, auch Sie ziehen es vor, dass ich nach Amerika gehe.

Um eine letzte Gunst möchte ich Sie noch bitten: Suchen Sie weder eine Begegnung noch eine Unterredung mit mir herbeizuführen. Meine Entscheidung ist unwiderruflich. Ich möchte Ihnen aber weiterhin im Zeichen der Freundschaft schreiben können.

Seien Sie versichert, Pater, dass ich zeitlebens in tiefer Dankbarkeit Ihrer gedenken werde. Sie und P. Artiguez verdienen meine Hochschätzung und Dankbarkeit.

Gott wird Ihnen vergelten, was Sie für mich getan haben. Seien Sie überzeugt, dass ich die Freiheit, die Sie mir gelassen haben, so verwandte, wie es ein guter Jesuit tun soll. In dieser Hinsicht habe ich nichts zu bereuen. Ich habe die Regeln peinlich genau innegehalten in allen Begegnungen mit andern, sowie in den privaten Hausbesuchen.

Ich habe das Wesentliche in der Gesellschaft geliebt und liebe es jetzt noch; doch sehe ich klar, dass es nicht mein Weg ist.

Seien Sie zum Abschied noch einmal umarmt von dem, der Ihr Sohn war und mit gleicher Zuneigung, bis zum Tode, Ihr Bruder im Herrn bleiben wird.

Luis Padrosa, S. J.

Die Antwort des P. Provinzial spielt nicht im Geringsten auf alle Anschuldigungen an, die man mir jetzt zur Last legt; sie spiegelt tiefes Leid und Achtung wider. Dies beweist der folgende Abschnitt, den ich zitiere:

«Sie können mir glauben, dass ich Ihnen in tiefem Schmerze schreibe. Als ich heute morgen Ihren Brief vom 31.1. las, war ich wie vernichtet, unfähig jeder Reaktion und ohne sogleich eine Antwort erteilen zu können. Deshalb, und um in aller Ruhe überlegen zu können, bat ich den Überbringer, er möchte abends um sechs Uhr wiederkommen.»

Dies allein genügt, um zu beweisen, dass meine Ordens-Oberen mich nicht aus dem Orden ausstossen wollten, sondern mich sehr schätzten. Ich glaube, es bedarf keiner grossen Klugheit, um zu verstehen, dass, wenn ich ein schlechtes Leben geführt hätte und fortsetzen wollte, ich nicht mein Leben zu ändern und meinen guten Ruf zu verlieren brauchte, indem ich das wohlangesehene Loyola-Institut verlasse und künftig ohne die aufrichtige Achtung vieler hochgeschätzter und erprobter Freunde bleiben muss. Wenn jemand innerhalb des Ordens die Möglichkeit gehabt hätte, skrupellos leben zu können, dann wäre ich es gewesen. Einzig und allein die Furcht vor Gott und eine tiefe Überzeugung, die in langjährigem Studium und Nachdenken erworben wurde, können einen Entschluss wie den meinigen bestimmen. Es ist kein anderer Grund vorhanden.

Glaubt jemand, die Protestanten hätten mich mit ihren Versprechungen geblendet, so sollen alle meine Verleumder erfahren, dass mir nichts angeboten wurde und dass ich drei Monate nach meiner Abreise aus Spanien immer noch ohne Arbeit und Wohnung war. Und da ich aus Spanien nichts anderes als meine Kleider und Wäsche, sowie meine Bücher mitnahm (obwohl böse Zungen darüber mehr zu sagen wussten!), so war ich doch genötigt, in den ersten Monaten von der Nächstenliebe der evangelischen Brüder zu leben.

Im Loyola-Institut blieb noch einiges Geld, um die Miete und alle andern Unkosten vom Monat Februar, da ich wegzog, bis und mit Mai zu begleichen. Da das Institut über keinen Fonds verfügte, war es nötig, Gaben zu sammeln, um bis zur Beschlussfassung des Patronats über die Möbel der Institution alle laufenden Rechnungen und Mietzinse bezahlen zu können. Ich schliesse diesen Anhang, wobei ich überzeugt bin, dass trotz meiner Ausführungen, deren Richtigkeit nachgeprüft werden kann, Verleumdungen aller Art weiter verbreitet werden.

Einen einzigen Ratschlag möchte ich demjenigen erteilen, der die Wahrheit besitzen will:

Lesen Sie so oft als möglich das heilige Evangelium und die Briefe im Neuen Testament. Da werden Sie erkennen, was ein wahrer Christ zu glauben und zu tun hat.

«Warum übertretet ihr selbst das Gebot Gottes um eurer Übergabe willen»? (Matth. 15,3.) «Ihr Heuchler ! es hat Isaias wohl von euch geweissagt, wenn er spricht: Dies Volk ehret mich mit den Lippen; aber ihr Herz ist weit von mir. Vergeblich aber ehren sie mich, indem sie menschliche Lehren und Gebote lehren» (Matth. 15,7-9).

Lassen wir der Menschen Lehren beiseite. Hören wir den Herrn Jesus, denn Er allein hat die Worte des ewigen Lebens.

Buenos Aires, 1. Juli 1951.

NACHWORT DES VERLAGS 

Die vorliegende Schrift von Luis Padrosa, eine ausgesprochene Gelegenheitsschrift, war ursprünglich nur für einen begrenzten Kreis bestimmt als Erklärung seines Übertritts zum evangelischen Glauben. Sie hat aber im Laufe weniger Jahre eine viel weitere Beachtung gefunden als erwartet.

Der Leser möge bitte nicht übersehen, dass es sich nicht um eine theologische Fachschrift handelt, sondern um ein schlichtes persönliches Zeugnis. Das betont übrigens der Autor an mehreren Stellen ausdrücklich. Viele Leser bezeugen es, dass dieses Bekenntnis zur Bibel sie in ihrem Glauben an das lautere Wort Gottes bestärkt hat und ihnen wegweisend war. Darüber kann man sich nur freuen.

Man wird sich stets deutlich vor Augen halten müssen, dass diese Schrift aus der spanischen Situation heraus geschrieben worden ist. Gegen den spanischen Katholizismus äussern ja sogar Katholiken im deutschen Sprachbereich ernsthafte Bedenken. Man darf also nicht verallgemeinern, als ob auch die Zustände in Deutschland und in der Schweiz genau dieselben waren wie dort. Dass aber Padrosa mit seiner Kritik am Marienkult nicht zu weit ging, bestätigen eine Reihe von evangelischen Schweizern, die mit offenen Augen Spanien bereisten. So lesen wir im «Protestant» Nr. 11, 1955: «Man spürt es dem spanischen Katholizismus an, dass er es nicht gewohnt ist, sich mit einer andern Konfession auseinanderzusetzen. Die gegenseitige Kontrolle, die in Deutschland und in der Schweiz beide Kirchen, die römische und die evangelische, zu einer gewissen Selbstkritik nötigt, fällt hier weg. Darum empfinden wir Protestanten den spanischen Katholizismus noch fremder als etwa die Art und Weise, wie sich die römische Kirche in unserem Lande gibt. Uns will scheinen, dass der Marienkult in Spanien noch einen breiteren Raum einnimmt als hierzulande.» Seit dem Erscheinen der Schrift von Padrosa ist aber auch einiges geschehen, das wir nur dankbar feststellen können die katholische Bibelbewegung in der Schweiz, in Frankreich und andern Ländern hat beachtliche Fortschritte erzielt. Möge sie sich weiterentwickeln, damit Tausende von Lesern in der Heiligen Schrift den Herrn Jesus Christus deutlich erkennen!

Katholische Kreise haben Sturm gelaufen wider Padrosa. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass die Broschüre ohne zusätzliche Propaganda weitere Auflagen erlebte. Natürlich haben die Katholiken alle Freiheit, sich sachlich mit den Ausführungen von Padrosa auseinanderzusetzen. Hätten die Evangelischen in Spanien die gleiche Freiheit und Möglichkeit, hätte dort ein Padrosa offen reden können, so wäre es gar nicht nötig gewesen, seine Schrift bei uns bekannt zu machen. So aber ist es unsere solidarische Pflicht, jene zu Worte kommen zu lassen, deren Freiheit zu offener Aussprache beschnitten ist. Unsere katholischen Freunde finden es selbstverständlich, dass sie für ihre verfolgten Brüder sprechen, die zum Schweigen verurteilt sind; wir befolgen die gleiche Linie. Solange es in Spanien nicht gestattet ist, die protestantischen Kirchen und Kapellen nach aussen zu kennzeichnen, solange evangelische Schulen, evangelische Jugendarbeit, Liebestätigkeit und Bibelverbreitung untersagt sind, solange die evangelisch-kirchliche Trauung zivilrechtlich nicht anerkannt ist (erst in neuester Zeit hat die Regierung in einigen Fällen Ausnahmen bewilligt!), solange ist es bestimmt fehl am Platz, wenn man die Veröffentlichung der vorliegenden Broschüre als «Hetze» bezeichnet, wie es mehrfach geschehen ist!

Padrosa will in seiner Schrift darlegen, dass er aus ehrlichen, sauberen Motiven zum evangelischen Bekenntnis übergetreten ist. Diesen Eindruck gewinnt jeder unvoreingenommene Leser. Zudem ist die Schrift frei von jeder Gehässigkeit oder sensationellen Enthüllungen.

Wir freuen uns, dass wir den Lesern ein massgebliches Urteil über Padrosa vorlegen können von Dr. B. Foster Stockwell, dem Direktor der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Buenos Aires, an welcher Padrosa seit vier Jahren wirkt. Dr. Stockwell schrieb in einem Brief an unsern Verlag, datiert vom l. Juli 1955, u. a. folgendes:

«Es ist mir eine Freude und ein Vorrecht, Ihnen ein kurzes persönliches Wort über die jetzige Lebensführung von Dr. Luis Padrosa Roca zu schreiben. Es mag vielleicht auch zur Beruhigung derer dienen, die im Vertrauen zu ihm erschüttert wurden durch die grundlosen Anschuldigungen, welche über ihn in Umlauf gesetzt worden sind.

Ich kannte Dr. Padrosa nicht, bevor er Spanien verlassen hat. Einige Monate nach seiner Ankunft in Buenos Aires suchte er mich auf, zuerst allein, dann später mit seiner Frau. Ich kann persönlich bezeugen, dass er in einfachsten Verhältnissen lebte und materielle Schwierigkeiten zu überwinden hatte während seiner ersten Zeit in Buenos Aires. Manche römisch-katholische Priester oder Ex-Priester haben mich im Laufe der Jahre aufgesucht, indem sie Hilfe wünschten in bezug auf religiöse Fragen oder Unterstützung auf der Suche nach einer neuen Arbeit und Aufgabe, nachdem sie die katholische Kirche verlassen hatten. Doch muss ich sagen, dass ich nie einen getroffen habe, dessen Aufrichtigkeit, Schlichtheit und klare persönliche Überzeugung mich so stark beeindruckt hat, wie es bei Dr. Padrosa der Fall war. Dieser erste Eindruck hat sich vertieft und wurde durch meine Arbeit mit ihm während der letzten vier Jahre noch verstärkt.

Im Zeitpunkt da Dr. Padrosa das erste Mal zu mir kam, war der Lehrplan für unser Seminar bereits für ein Jahr festgelegt und ich konnte ihm nur einige spezielle Vorlesungen über Religions-Psychologie einräumen. Im folgenden Jahr konnte die Sache ausgebaut werden zu einem Kurs über Pastoral-Psychologie. Ferner unterrichtet Dr. Padrosa auch in andern Fächern, z. B. Musiktheorie und Klavierspiel, in welchen er schon vor seinem Eintritt in den Jesuitenorden speziell ausgebildet worden ist. Er gibt auch Einführungen in die Grundsätze und Praxis der römisch-katholischen Kirche. Alle diese Kurse wurden bis heute durchgeführt zur vollsten Befriedigung aller Teilnehmer. Während dieser Zeit lebte Dr. Padrosa mit seiner Frau in unserem Seminar und wir schätzen ihren Beitrag in der Ausbildung junger Männer und Frauen für den Dienst unserer protestantischen Kirchen in Latein-Amerika ganz ausserordentlich.

Dr. Padrosa geniesst unsere Wertschätzung dank seinem fachlichen Wissen und Forschen auf dem Gebiet der Psychologie und Psychiatrie. Wir sind ihm sehr dankbar für seinen Dienst, den er uns erweist auf diesem Spezialgebiet. Wir haben die Überzeugung gewonnen, dass sein religiöses Leben zutiefst in der Bibel verankert ist, indem er täglich aus der Wahrheit des Wortes Gottes schöpft.»

Wir sehen aus den Worten von Dr. Stockwell, dass Luis Padrosa, der Autor der vorliegenden Schrift, durchaus unsere brüderliche Achtung verdient. Wichtig ist für uns, dass er sich als evangelischer Christ bewährt. Es ist nicht unsere Sache, über sein Vorleben in Spanien Untersuchungen anzustellen, um seine Unschuld zu beweisen. Dem Brief von Dr. Stockwell fügen wir noch einige Sätze bei von Dr. Thomas S. Goslin aus einem Artikel:

«Besiegt durch die Bibel», der in der weitverbreiteten amerikanischen Zeitschrift «Presbyterian Life» erschienen ist. Sie geben uns einige zusätzliche Auskünfte von Bedeutung.

«Die ersten Wochen und Monate in Argentinien waren für den neuen Protestanten alles andere als leicht. Dr. Padrosa war heimat- und arbeitslos, ohne Geld, auf die Hilfe einiger Evangelischer angewiesen. Vorübergehend versuchte er sogar, mit dem Verkauf von verschiedenen Artikeln von Haus zu Haus seinen Unterhalt zu verdienen. Trotz allen Misserfolgen zerbrach sein Glaube nicht. ,Ich empfand nie tieferen inneren Frieden als gerade in jener Zeit', erzählte er mir einmal. ,Ich möchte lieber in Armut leben als in Luxus und Ansehen wie vorher, denn damals war ich in geistlicher Hinsicht unbefriedigt.'

Heute ist Dr. Padrosa ein wertvolles Mitglied des Lehrkörpers unseres Theologischen Seminars. Diese Institution ist die grösste protestantisch-theologische Schule in der Spanisch sprechenden Welt. Sie basiert auf der ökumenischen Zusammenarbeit der Presbyterianer, Methodisten, Jünger Christi und der Waldenser Kirchen. Diese Union trägt internationalen Charakter. Nach dem Urteil seiner Kollegen ist Dr. Padrosa im Hinblick auf seine Erfahrung und seine Redegabe einer der besten Dozenten des Seminars.

Neben seiner Lehrtätigkeit hält er gelegentlich Vortragsreihen über die Zusammenhänge zwischen Medizin, Psychiatrie und Religion. Er sprach vor grossen Hörerkreisen in argentinischen Städten.

Seit vier Jahren lebt Padrosa mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn (man hat ihm einen zwölfjährigen Sohn angedichtet!) ruhig und anspruchslos in einer kleinen Wohnung unseres Seminars. Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist er glücklich und höchst rege in seinem neuen Wirkungsfeld. Er sagt oft, welch grosse Freude es sei, nach dem Buch der Bücher zu leben. Die Bibel hat ihm den Weg zu einer ganz neuen Existenz geöffnet.»

CHRISTLICHES VERLAGSHAUS BERN

Autorisierte Übersetzung aus dem Französischen
von Samuel Lauber

Die französische Ausgabe erschien unter dem Titel:

«Pourquoi ai-je quitté le catholicisme ?»

Zweite Auflage, revidiert auf Grund des spanischen Original-Textes

«Por que dejé el catolicismo?»

Alle Rechte vorbehalten

Druck: Christliche Vereinsbuchhandlung Zürich

1953

Kommentare von NZZ und „Angebot“

Padrosa enthält sich jeder Polemik und macht auch keine «Enthüllungen». Seine Ausführungen sind eindringende biblische Studien, die in ihrer Kürze und Klarheit auch dem protestantischen Leser helfen, die eigene konfessionelle Stellung nachzuprüfen. Bei der vornehmen Art dieser Schrift muss man bedauern, dass die katholische Abwehr nicht auf den gleichen Ton gestimmt blieb.

Neue Zürcher Zeitung.

Es geht hier weder um eine theologische Abhandlung noch um ein Handbuch der Apologetik, sondern ganz einfach um eine Aufzählung der Gründe, die einen überzeugten Katholiken zu diesem entscheidenden Schritt veranlassten. Padrosa befasste sich eingehend mit dem Studium der Heiligen Schrift und kam dabei zur Überzeugung, dass «eine Kirche, die sich nicht einzig und allein auf die Wahrheit der Heiligen Schrift gründet, nicht Gemeinde Jesu Christi sein kann».

Das Angebot

 

[1] Alle Bibelstellen werden entsprechend dem Wunsch des Verfassers nach der bekannten katholischen Allioli-Übersetzung zitiert.

[2] Credo = Glaubensbekenntnis.

[3] ) Der HI. Cyrill sagt in seinem 4. Buch über die HI. Dreieinigkeit: «Ich meine: unter dem Wort Petrus (Fels) müssen wir den unveränderlichen Glauben der Apostel verstehen.» Hilarius, Bischof von Poitiers, sagt in seinem 2. Buch über die HI. Dreieinigkeit: «Der Fels ist nichts anderes als der gesegnete und einige Glaube, den Petrus bekannt hat.»

Chrysostomus in seiner 55. Homilie zum Matthäus-Evangelium schreibt: «Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen,

d. h. auf den Glauben, der in seinem Bekenntnis hervortritt. Was bekannte der Apostel? Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.»

Augustinus in seiner Erklärung zum 1. Johannesbrief sagt: «Was bedeuten die Worte: Ich werde meine Gemeinde auf diesen Felsen bauen? Sie besagen: Auf deinen Glauben, auf dein Bekenntnis: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.»

[4] Tradition = Kirchliche Überlieferung

[5] Dies wird uns in Johannes 20, 31 deutlich: «Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubet, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes; und damit ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen.»

[6] In den ersten Jahrhunderten finden wir dasselbe Zeugnis:

Der HI. Irenäus, Bischof von Lyon (125-200) erklärt: «Dieses Evangelium haben die Apostel zuerst gepredigt, dann nach Gottes Willen geschrieben, dass es das Fundament und die Säule unseres Glaubens sei. Die Hl. Schriften sind vollkommen, denn sie sind vom Worte Gottes und von seinem Geiste gesagt worden» (Adversus Haereses II, 28, 2). «Dieses Evangelium haben die Apostel zuerst gepredigt. Darauf haben sie es, durch Gottes Willen, aufgeschrieben, damit es die Grundlage und Säule unseres Glaubens werde» (III, 1).

«Die apostolische Überlieferung, die in der ganzen Welt kundgetan wurde, kann in jeder Kirche geschaut werden durch diejenigen, welche die Wahrheit sehen wollen» (III, 3, 1).

[7] Beachten Sie den Bericht in Joh. 21, 15-18.

[8] An der Eucharistiefeier teilnehmen, Anm. d. Hrsg

[9] Spanische Münzeinheit

[10] «Teologia del celibato virginal», p. 55.

[11] Schulterkleid, Ordensgewand

[12] Formel der Sündenvergebung im Beichtstuhl: Ich erlasse dir deine Sünden